Ministerin Klöckner wünscht sich Reformen in der Kirche

"Da müssen wir echt was ändern"

Julia Klöckner ist Katholikin und war langjähriges Mitglied im ZdK. Trotz der tiefgreifenden Krise hält sie ihrer Kirche die Treue. Sie sieht aber dringenden Reformbedarf. Deshalb ermutigt sie auch dazu, "Dinge auch anzugehen".

Julia Klöckner / © Kay Nietfeld (dpa)
Julia Klöckner / © Kay Nietfeld ( dpa )

Ingo Brüggenjürgen (Chefredakteur DOMRADIO.DE): Auf meiner Pilgerreise bin ich unterwegs in Rheinland-Pfalz und ich freue mich, dass ich die Landesvorsitzende der CDU und Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, jetzt bei mir im Interview habe. Frau Klöckner, ich radle schon einige Tage durch ihre wunderschöne Heimat. Wie hält man es denn als Bundesministerin in Berlin aus?

Julia Klöckner (Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft und CDU-Landesvorsitzende Rheinland-Pfalz): Oh, das ist die richtige Frage. Also, ich habe ehrlich gesagt immer ein bisschen Heimweh. Aber ich habe den Vorteil, dass ein Teil meines Ministeriums noch in Bonn ist, wegen des Bonn-Berlin-Gesetzes und das ist deutlich näher zu Rheinland-Pfalz. Wenn ich keine Sitzungswoche habe, ist es also nicht so weit nach Hause. Aber es ist eine tolle Gegend, haben Sie schon die Weinberge gesehen?

Brüggenjürgen: Ja, die Weinberge sind wunderbar, kleine Weiher, liebenswerte Menschen, die hier zu Hause sind. Ich suche auf meiner Pilgerreise nach "Mutmacherinnen" und "Mutmachern", die uns von ihrem Glauben erzählen. Sie sind engagierte Katholikin und in meinen Augen auch eine Mutmacherin. Sehen Sie das auch so?

Klöckner: Also, man kann natürlich morgens mit schlechter Laune aufstehen und dann so weiter machen, aber der Tag wird dann nicht besser. Oder man kann zuversichtlich in die Welt blicken. Und ich habe mich für zweiteres entschieden.

Und man muss seine Talente, die sehr unterschiedlich sind, die aber jeder in irgendeiner Form bekommen hat, nutzen und wissen, dass alles andere in Gottes Hand liegt und man nicht tiefer fallen kann. Und so muss man an seinen Tag rangehen, finde ich.

Brüggenjürgen: Wo versuchen Sie denn heute auch gerade als Christin die Menschen zu ermutigen?

Klöckner: Ich laufe jetzt nicht jeden Tag herum und mache etwas als Christin oder als Bundesbürgerin oder als Bundesministerin, sondern das ist ein Gesamtkomplex, meine Grundhaltung.

In meinen Sprechstunden zum Beispiel versuche ich, die Menschen zu ermutigen, aber eben nicht, indem ich ihnen nach dem Mund rede, sondern ich versuche ihnen auch klar zu machen, dass der Staat wir alle sind, sie also zu ermutigen, Dinge auch anzugehen.

An diesem Donnerstag habe ich junge Landwirte getroffen, die in der Landjugend aktiv sind und sich für Nachhaltigkeit einsetzen wollen. Und ich habe sie ermutigt, neben ihren Feldern Blühkisten für mehr Biodiversität einzusetzen. Und da haben wir über das Thema "Bewahrung der Schöpfung" gesprochen.

Brüggenjürgen: Sie waren langjähriges Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken. In der Kirche geht es derzeit darum, dass Reformprozesse angestoßen werden. Was liegt Ihnen da besonders am Herzen? Wo möchten Sie ermutigen?

Klöckner: Ich war Mitglied im ZdK, bin es jetzt nicht mehr, weil man irgendwann nach zehn Jahren auch Schwerpunkte setzen muss, man muss bei den Sitzungen dabei sein und das ist für Bundesminister nicht so ganz einfach.

Aber ich bin ganz bewusst Mitglied der katholischen Kirche und bleibe es auch trotz Kritik, weil ich getauft und im Glauben aufgewachsen bin und weil ich mich nur als Mitglied über Missstände beschweren kann.

Kirche leistet nach wie vor so viel. Ich war jüngst in einer Kita in Trägerschaft der Kirche. Und wenn wir sehen, welche Botschaften Kirche in die Welt senden kann, für ein Miteinander, Hilfe und den kritischen Umgang miteinander, ist das viel wert.

Und was ist mir wichtig? Wir müssen anders mit Frauen in der Kirche umgehen. Wir müssen anders umgehen mit der Frage der Homosexualität in der Kirche. Das betrifft nicht nur Pfarrer selbst, sondern auch Menschen, die bei der Kirche arbeiten. Und der Umgang mit Fehlverhalten und sexuellem Missbrauch: Da ist der Maßstab noch mal ein anderer, wegen des moralischen Anspruchs der Kirche. Da müssen wir echt was ändern.

Brüggenjürgen: Wird die Stimme der Frauen genügend gehört?

Klöckner: Das ist relativ. Ich bin für die Ohren der anderen nicht zuständig, aber es hat schon mit der Frage zu tun, wo Frauen überhaupt sichtbar sind. Wo sind sie in Entscheidungspositionen und nicht nur nett auf einem Foto dabei oder im Bistum, wo auch Frauen irgendwo arbeiten.

Ich finde schon, wir sollten Mut haben für unterschiedliche Geschwindigkeiten der Weltkirche. Natürlich spielen in Afrika, Asien oder Lateinamerika Strukturfragen eine andere Rolle als bei uns in Deutschland. Aber dieser große Tanker Kirche braucht auch ein paar kleine Beiboote.

Brüggenjürgen: Sie haben gerade gesagt, Frauen müssen sichtbar sein, das sind Sie für uns im Interview. Herzliches Dankeschön dafür! Abschließende Frage: Ich radle jetzt weiter Richtung Worms, was geben Sie mir mit auf den Weg?

Klöckner: Da kommen Sie natürlich in eine Lutherstadt. Und in eine Nibelungen-Stadt. Da gibt es einen tollen Oberbürgermeister, den Adolf Kessel. Wenn Sie den treffen, ist das eine super Sache. Ansonsten: Gehen Sie zum Dom in Worms. Da gib e's eine tolle Eisdiele nebendran. Die lohnt sich.

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Quelle:
DR