"Jetzt wird es ganz speziell", sagt der Kölner Stadtdechant Msgr. Robert Kleine am Ende der Andacht für die Fans des 1. FC Köln. Das Lied, das die Orgel nun anstimmt, steht nicht auf dem Liedzettel – muss es auch gar nicht, denn jeder FC Fan kennt den Text der Vereinshymne aus dem Effeff. "Mer stonn zo dir, FC Kölle", hallt es durch den Dom – und selbst hinter 500 maskierten Mündern klingt das leidenschaftlich.
Dazu schunkeln die Fans mit ihren hoch erhobenen Vereinsschals. Die FC Hymne ist der Bonus-Track zur Andacht der Fußballfans, auf den keiner verzichten möchte. Dieses Lied kennt jeder auswendig, es gehört zur Kölner DNA wie auch das "Vater unser" in der christlich geprägten Stadt. Das "Vater unser" steht ja auch nicht auf dem Liedzettel und wird von allen, vom anwesenden FC Vorstand und den Fans mit kräftiger Stimme mitgebetet.
Vereins-Schal als Stola
Der Gottesdienst für die Fans des 1. FC Köln im Dom vor dem ersten Heimspiel der Saison hat in der Stadt Tradition. Auch in Corona-Zeiten möchte keiner darauf verzichten. Klar, der Dom ist wegen der Hygiene-Maßnahmen nicht voll besetzt und alle müssen Masken tragen – aber stimmungsvoll ist es doch. Die Fans haben ihre FC Trikots an und die rot-weißen Schals mitgebracht, die sie wie eine Stola um den Hals tragen.
Stadtdechant Kleine verweist in seiner Begrüßung auf die schöne Tradition dieses landesweit einmaligen Gottesdienstes, den wir, wie er sagt, auch im kommenden Jahr mit dem FC Köln in der ersten Liga feiern möchten. Oh je, Fußballfans sind sensibel, von wegen … in der ersten Liga, was redet der fromme Mann denn da? Etwas anderes ist doch gar nicht denkbar! Ein leises Grummeln meint man zu hören, das aber spätestens nach dem gemeinsamen Singen der Vereinshymne, zu der Msgr. Kleine sich unter die Fans mischt, vergessen ist.
Eine Andacht in ökumenischer Eintracht
An der Seite des katholischen Stadtdechanten steht der evangelische Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger, denn die FC-Andacht feiern beide christlichen Kirche in ökumenischer Eintracht. "Hier ist Raum und Zeit für große Gefühle", sagt Seiger. Die Vorfreude auf die neue Saison gehöre natürlich dazu aber auch die Unsicherheit wegen der noch unsicheren Pandemie-Situation. In seiner Predigt greift Seiger das Tagesevangelium auf, in dem von dem Zusammenspiel von Kraft, Liebe und Barmherzigkeit die Rede ist. "Ohne die Liebe zum Fußball kann keiner verstehen, dass wir eine Fußball-Andacht im Dom feiern", sagt er.
Der FC macht viele Menschen glücklich
Nach der Andacht treffen wir Fußballfan Thomas. Für ihn ist der FC Köln Religion, das sagt er uns. "Ich fahre 400 km, um hier dabei zu sein. Der FC ist meine zweite Familie". "Wenn die Mannschaft gut zusammenhält, dann spielen sie auch gut", meint die achtjährige Zoe, die mit ihren Eltern zum Gottesdienst gekommen ist. "Und dann macht der FC so viele Menschen glücklich".
Nach dem Gottesdienst steht der FC-Präsident Werner Wolf mitten unter den Fans und diskutiert mit ihnen. Für ihn als praktizierender Christ ist es eine Selbstverständlichkeit an der Andacht zum Saisonauftakt im Dom teilzunehmen. "Das bedeutet mir sehr viel", sagt er im DOMRADIO.DE Interview. Der Gottesdienst gebe ihm Hoffnung und Zuversicht für das Leben und für die Saison. Für den Erfolg seines Vereins dürfe man auch beten, ergänzt er. Dabei sei aber immer zu beachten, dass die andere Mannschaft Konkurrent sei und nicht Feind.
Gegen Ausgrenzung und Hass
Für ein gutes Miteinander, friedlich und ohne Gewalt, gegen Ausgrenzung und Hass, dafür müsse der Fußball stehen, sagt Msgr. Kleine in seiner Predigt. Er zitiert die weltbekannte Fußballhymne "You never walk alone" und freut sich, dass der FC ein Vorbild dafür sei, dass man füreinander einstehe, dass der Kölner Verein sich für die Opfer der Flutkatastrophe eingesetzt, eine Impfkampagne ins Leben gerufen habe und mit der FC-Stiftung viel Gutes tue.
Und während er predigt sieht man im Hintergrund, im Nordflügel des Kölner Domes allerhand Betrieb vor der Schmuckmadonna. Denn es ist Mariä Himmelfahrt und da kommen traditionell viele Marien-Verehrerinnen und Verehrer in den Dom. An diesem Sonntagnachmittag treffen sie auf 500 Fußballfans – zwei Milieus, die sich sonst eher nicht begegnen. So ein Zusammentreffen gibt es nur in Köln, gibt es nur im Dom, der allen offen steht.
P.S.: Das Heimspiel nach der Andacht gegen Hertha Berlin haben die Kölner 3:1 gewonnen.