Zum 85. Geburtstag des spanischen Kardinals Rouco Varela

Oberhirte mit klarer konservativer Kante

Bis zu seinem Rücktritt 2014 war Kardinal Rouco der mächtigste Kirchenmann auf der Iberischen Halbinsel. Obwohl es mittlerweile ruhiger um ihn geworden ist, hat er noch immer beträchtlichen Einfluss.

Autor/in:
Alexander Pitz
Kardinal Antonio Maria Rouco Varela (KNA)
Kardinal Antonio Maria Rouco Varela / ( KNA )

Jahrzehntelang hat er die katholische Kirche in Spanien mit klarer konservativer Kante dominiert: der frühere Hauptstadt-Erzbischof Kardinal Antonio Maria Rouco Varela. Als politischer Oberhirte und mehrmals wiedergewählter Vorsitzender der Spanischen Bischofskonferenz scheute er keine politische Debatte - im Gegenteil. Den Kulturkampf mit den seinerzeit lange regierenden Sozialisten nahm er mit aller Härte an. Oft focht er ihn gemeinsam und öffentlichkeitswirksam mit dem rechten Flügel der christdemokratischen Partei (Partido Popular) aus.

Polarisierender Kardinal

Doch die Einführung der "Homo-Ehe" konnte Rouco ebenso wenig stoppen wie eine weitgehende Liberalisierung der Abtreibungsregeln. Auch gegen die zunehmende Distanz vieler Spanier zur Kirche, die noch bis in die 70er Jahre quasi den Rang einer Staatsreligion innehatte, vermochte der polarisierende Kardinal kaum etwas auszurichten.

85. Geburtstag des Kardinals

Am Freitag (20. August) wird der streitbare Kirchenmann 85 Jahre alt. Trotz aller Glückwünsche und Würdigungen, die es zu diesem Anlass geben wird, muss man nüchtern konstatieren: Seine wesentlichen gesellschaftspolitischen Ziele hat Rouco verfehlt. Der kulturell-religiöse Wandel ist über ihn hinweggerollt. Haudegen von seinem Schlag gehören in der Kirche mittlerweile zu einer seltenen Gattung. Papst Franziskus schenkt bei der Besetzung wichtiger Leitungsposten lieber ausgleichenden Charakteren das Vertrauen. Die aktuelle sozialistische Regierung Spaniens setzt ihre antiklerikale Politik derweil unbeirrt fort.

Kein vollkommenes Scheitern des Kardinals

Vollends gescheitert ist der Kardinal jedoch keineswegs. Viele amtierende spanische Bischöfe verdanken ihm ihre Karriere. Gemeinsam bilden sie auf der iberischen Halbinsel ein Gegengewicht zum Reformkurs, der von den Kardinälen Juan Jose Omella (Barcelona) und Carlos Osoro Sierra (Madrid) getragen wird. Der geistige Vater der konservativ-katholischen Elite des Landes hat also immer noch gehörigen Einfluss.

Das Leben von Kardinal Rouco

Seine Wurzeln liegen im galicischen Villalba, wo er 1936 geboren wurde. Nach einer Ausbildung in Latein und Philosophie im diözesanen Seminar von Mondonedo absolvierte er ein Theologiestudium an der Päpstlichen Universität Salamanca. Zu vertiefenden Kirchenrechtsstudien wechselte er 1959 bis 1964 nach München.

Nach seiner Promotion und einigen Jahren als Dozent in Mondonedo kehrte er 1966 für drei weitere Jahre an das Institut des großen Kirchenrechtlers Klaus Mörsdorf nach München zurück. Aus dieser Zeit rührt auch eine persönliche Bekanntschaft mit Joseph Ratzinger. Bis heute besteht zum emeritierten Papst Benedikt XVI. eine freundschaftliche Verbindung.

Nach Lehrtätigkeit in München wechselte Rouco zurück an seine alte Uni Salamanca. Alles sah nach einer akademischen Laufbahn aus - bis Papst Paul VI. ihn 1976 vom Lehrstuhl auf den Bischofsstuhl holte, zunächst als Weihbischof im Wallfahrtsort Santiago de Compostela. 1984 wurde er dort Erzbischof, zehn Jahre später übertrug ihm Johannes Paul II. die Leitung des Erzbistums Madrid. 1998 folgte die Aufnahme ins Kardinalskollegium.

Rouco machte sich zahlreiche Gegner

Mit seinem vehementen Eintreten für den Schutz der traditionellen Familie und gegen Abtreibung machte sich Rouco zahlreiche Gegner. Unter anderem wurde er 2014, wenige Monate vor dem Wechsel in den Altersruhestand, von Femen-Aktivistinnen attackiert. Einschüchtern ließ sich der Galicier allerdings nie. Immer wieder bezog er deutlich Stellung. Seine wichtigste Aufgabe sah er stets daran, den Menschen "die Wahrheit" zu sagen, auch wenn sie unbequem sein mag.

Strippenzieher im Hintergrund

Inzwischen ist es ruhiger um ihn geworden. Er agiert bevorzugt als Strippenzieher im Hintergrund, ist nach wie vor bestens vernetzt. Kürzlich ließ er in einem Interview durchblicken, dass sich an seiner Grundhaltung nichts geändert hat. "In einer zerrissenen, gespaltenen und geschwächten Gesellschaft besteht die wichtigste Form der Nächstenliebe darin, den Mitmenschen die Wahrheit zu vermitteln", so sein Credo. Es gebe keinen schlimmeren Fehler als eine "vermeintliche Nächstenliebe", die nicht von der Wahrheit begleitet sei.

Seit einigen Wochen geht Rouco - nach vollständiger Corona-Impfung - wieder reger Reisetätigkeit nach. Mitte Juni empfing Papst Franziskus ihn in Privataudienz. Was die beiden besprochen haben, ist nicht bekannt. Fest steht indes: Das Wort des Kardinals hat noch Gewicht.


Quelle:
KNA