DOMRADIO.DE: Klären Sie uns mal auf, wie könnte die Kindergrundsicherung aussehen?
Maria Loheide (Vorständin der Sozialpolitik der Diakonie Deutschland): Die Kindergrundsicherung ist ein eine ganz eigenständige Leistung für jedes Kind. Das ist nochmal wichtig. Da geht es nicht nur um die armen oder von Armut bedrohten Kinder, sondern tatsächlich um alle Kinder. Das heißt, jedes Kind bekäme diese Leistung.
Das Besondere ist, dass in dieser Leistung jetzt sehr unterschiedliche, Kind bezogene Leistungen zusammengeführt werden: das Kindergeld, aber auch der steuerliche Kinderfreibetrag, der Kindergeldzuschlag, die Hartz-IV-Leistungen für Kinder und Jugendliche und auch die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepaketes. Das, was jetzt auf viele unterschiedliche Leistungen verteilt ist, würde in eine Leistung, sozusagen in eine Kindergrundsicherung zusammengeführt.
DOMRADIO.DE: Wie könnte das dann finanziert werden? Gibt es dazu schon Vorschläge?
Loheide: Wenn Sie bedenken, dass wir in den unterschiedlichen Systemen einiges an Leistungen und an Geldern bereits haben, dann ist der eigentliche große Mangel der, dass durch diesen Dschungel der unterschiedlichen Leistungen mit jeweils eigenen Antragsverfahren viele gar nicht durchblicken. Das ist für viele Menschen zu aufwendig und zu komplex, zu wissen, auf welche Leistungen sie Anspruch haben.
Wenn man das Kindergeld, den Kindergeldzuschlag, das Bildungs- und Teilhabepaket zusammenführt, hat man natürlich schon eine Summe an Geld, die man für die Kindergrundsicherung zur Verfügung hat. Die Beträge, die über das aktuelle Budget hinausschießen, weil ja jedes Kind diese Leistung bekommen soll, müssen über das Steuersystem eingeholt und finanziert werden.
DOMRADIO.DE: Wäre denn dann die Kindergrundsicherung die einfachste, schnellste und unkompliziertes Methode?
Loheide: Unbedingt. Die Kindergrundsicherung muss einfach unbürokratisch und möglichst automatisch ausgezahlt werden, ohne wirklich einen Antrag zu stellen. Das muss tatsächlich direkt bei den Kindern ankommen. Die Familien brauchen dann nur noch eine Anlaufstelle vor Ort.
DOMRADIO.DE: Manche Eltern werden nach wie vor mehr Geld zur Verfügung haben als andere. Sie können auf die Kindergrundsicherung noch etwas drauflegen, andere nicht. Bleiben dann im Verhältnis diese Kinder nicht automatisch arm?
Loheide: Das eine ist, dass erst einmal diese Summe Kindergrundsicherung das Existenzminimum von Kindern absichern sichern muss. Das heißt, davon müsste jedes Kind leben können. Dann gibt es natürlich auch noch besondere Leistungen, die man betrachten muss. Zum Beispiel käme Wohngeld dazu, weil es einen Unterschied macht, ob Sie in München oder irgendwo in Pinneberg oder auf dem Land wohnen.
Trotzdem können sich Familien, die insgesamt mehr Geld zur Verfügung haben, auch weiterhin mehr leisten. Aber die Kinder, die jetzt von Armut bedroht sind, würden mit Sicherheit besser abgesichert und auch mehr an Leistung bekommen.
DOMRADIO.DE: Viele in der Bevölkerung sind von der Idee der Kindergrundsicherung begeistert. Welche Parteien wollen denn jetzt die Kindergrundsicherung durchsetzen? Kommt der Vorschlag schon in irgendeinem Wahlprogramm vor?
Loheide: Die Parteien greifen den Vorschlag ganz unterschiedlich auf, ganz deutlich ist das bei den Grünen und auch bei der SPD. Besonders habe ich mich gefreut, dass zum Beispiel auch der Städtetag sich dafür eingesetzt hat, der deutlich macht, dass hier nachgesteuert werden muss. Viele beantragen möglicherweise die Leistungen nicht, weil sie es nicht wissen oder es zu kompliziert ist. Gleichzeitig ist damit auch eine wahnsinnige Bürokratie verbunden. Das, was man als Bürokratiekosten einsparen kann, stände wieder zur Verfügung, um die Kindergrundsicherung zu finanzieren.
Das Interview führte Florian Helbig.