Nach 77 Jahren ist die Glocke, die damals von den Nationalsozialisten zur Rüstungsproduktion beschlagnahmt worden war, nun wieder nach Sławięcice (früher Ehrenforst) zurückgekehrt, wie das Generalvikariat in Münster am Mittwoch mitteilte. Zuvor habe das historische Stück von 1555 jahrelang im Innenhof des Kirchengerichts am Dom zu Münster gelagert, ohne weiter aufzufallen. Mitglieder der katholische Kirchengemeinde Heilige Katharina aus Alexandrien in Sławięcice haben demnach nach aufwendiger Recherche vor zwei Jahren "ihre" Glocke dort wiedergefunden. Ortspfarrer Marian Bednarek habe über Fachliteratur herausbekommen, dass sich die vermisste Glocke im Münster befand.
Glocke noch Eigentum der Bundesrepublik
"Schön, dass die Glocke wieder an ihren Ursprungsort zurückgekehrt ist", sagte Thomas Flammer, Leiter der Abteilung Kunst und Kultur im Bischöflichen Generalvikariat. Er half der polnischen Delegation bei bürokratischen Fragen und stellte Kontakt zum katholischen Büro in Berlin her. Da die Glocke offiziell noch im Besitz der Bundesrepublik Deutschland ist, konnte sie laut Flammer nur mit Einverständnis des Bundesinnenministeriums zurückgegeben werden. Ein vereinbarter Dauerleihvertrag zwischen dem Bistum Münster und der Gemeinde in Sławięcice ermöglicht es den Angaben zufolge, dass die Glocke nun dauerhaft in Polen bleibt. In Sławięcice, heute ein Ortsteil von Kedzierzyn-Kozle im Südwesten Polens, soll sie im Spätherbst oder kommenden Frühjahr im Rahmen eines großen Festes wieder ihrer Bestimmung übergeben werden.
Glockenfriedhof im Zweiten Weltkrieg
Zum Ende des Zweiten Weltkrieges mussten alle Kirchen im sogenannten Deutschen Reich, darunter auch in Schlesien im heutigen Polen, ihre Glocken abgeben, weil sie wegen ihres Bronzeanteils zum sogenannten kriegswichtigen Material zählten. Rund 80.000 Glocken wurden eingeschmolzen, um Waffen und Munition daraus herzustellen. Doch einige Glocken überstanden auf dem zentralen Glockensammelplatz in Hamburg, auch "Glockenfriedhof" genannt, den Zweiten Weltkrieg. Nach 1945 wurden sie zur Archivierung fotografiert, ihre Gussdaten, Verzierungen und Inschriften im Glockenarchiv im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg dokumentiert.
1.300 Glocken aus Osteuropa
Ein Großteil der übriggebliebenen Glocken wurde an die Gemeinden in Deutschland zurückgegeben, nicht aber die rund 1.300 Glocken aus den ehemaligen Ostgebieten, wie es hieß. Die britische Militärregierung hatte die Rückgabe untersagt. Als sogenannte Patenglocken wurden sie an Kirchengemeinden im neu gegründeten Bundesland Nordrhein-Westfalen ausgeliehen. "Auch das Bistum Münster hat mehrere Glocken zugesprochen bekommen", erzählte Flammer. Die Glocke aus Sławięcice sei ursprünglich für die Diözese Aachen bestimmt gewesen, in Münster gestrandet und vergessen worden.