Primas-Erzbischof Wojciech Polak mahnte am Donnerstag bei einer Wallfahrtsmesse in Czestochowa (Tschenstochau): "Kein Mensch, gleich welcher Religion oder Herkunft, darf jemals ein Instrument politischen Kampfes sein." Die komplizierten Probleme von Migration müssten mit einer "Haltung von Gastfreundschaft, Respekt vor Neuankömmlingen und im Sinne des Gemeinwohls aller Polen" gelöst werden.
Menschenwürdige Behandlung
Auf Weisung der polnischen Regierung hindern Grenzschützer seit etwa zwei Wochen rund 30 Flüchtlinge nahe dem Dorf Usnarz Gorny daran, ins Land zu kommen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verpflichtete Polen am Mittwoch auf Antrag der an der Grenze zeltenden Afghanen, diesen Essen, Wasser und Kleidung zu geben sowie sie medizinisch zu versorgen und ihnen, "wenn möglich, eine vorübergehende Unterkunft" zu gewähren.
Das Straßburger Gericht stellte in seiner Einstweiligen Verfügung zugleich fest, Polen müsse die Antragsteller nicht einreisen lassen. Als Reaktion auf illegale Grenzübertritte hat Warschau inzwischen mit dem Bau eines zweieinhalb Meter hohen Stacheldrahtzauns an der mehr als 400 Kilometer langen Grenze zu Belarus begonnen.
Emotionen beruhigen
Primas Polak rief die Politiker auf, in der "sich verschärfenden Migrationskrise" die bestehenden Spaltungen und Abneigungen in der Gesellschaft nicht zu vertiefen. "Wir müssen heute die gesellschaftlichen Emotionen beruhigen und abkühlen", so der Erzbischof von Gnesen (Gniezno). Das Leben jedes Menschen sei heilig, auch von jenen, die vor Hunger und Krieg flüchteten. Polnische Grenzschutzbeamte und Soldaten unterbanden am Donnerstag unterdessen die Übergabe von Lebensmitteln und Wasser durch einen katholischen Priester und einen evangelisch-reformierten Pfarrer an die Afghanen.
Polens nationalkonservativer Regierungschef Mateusz Morawiecki wirft dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, "eine große Migrantenkrise in ganz Europa" auslösen zu wollen. Er versuche, Afghanen und Iraker über die Grüne Grenze nach Polen zu drängen, und benutze sie als Schachfiguren seiner Außenpolitik.