Bei der bundesweit ersten Straßenzählung von Obdachlosen sind in Berlin 1.976 Menschen erfasst worden. Von ihnen wurden 942 in der Nacht vom 29. auf 30. Januar in Einrichtungen der Kältehilfe und 807 unter freiem Himmel angetroffen, wie die Senatssozialverwaltung am Freitag in Berlin angab. Weitere Betroffene waren etwa in Bussen, S- und U-Bahnen und in Polizeigewahrsam. Bislang gab es nur Schätzungen, die von bis zu 10.000 obdachlosen Menschen ausgingen.
Bei der von Freiwilligen erfolgten Zählaktion sei nur "ein Ausschnitt" des tatsächlichen Umfangs der Obdachlosigkeit erfasst worden, betonte Armutsforscherin Susanne Gerull von der Alice-Salomon-Hochschule, die die Zählung wissenschaftlich betreute. Menschen, die auf Privatgelände Unterschlupf gefunden oder sich in Kellern oder auf Dachböden versteckt hätten, seien nicht darunter. Durch diese verdeckte Obdachlosigkeit, "werden wir die tatsächliche Zahl nicht erfahren können", so Gerull. Um zu verlässlicheren Daten zu kommen, sei geplant, neben weiteren Stichtagszählungen auch die von der Wohnungslosenhilfe geführten Statistiken über ihre Klienten einzubeziehen. Die Straßenzählung soll alle eineinhalb Jahre wiederholt werden.
In Berlin sei es auch darum gegangen, durch die Befragung der Obdachlosen passgenauere Angebote für sie in den verschiedenen Bezirken zu schaffen, erklärte Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke). Zudem sollte dadurch "die Stadtgesellschaft über die prekäre Lebenssituation der Obdachlosigkeit aufgeklärt werden". Davon ausgewertet wurden bislang nur die Daten über die auf der Straße angetroffenen Obdachlosen. Demnach war jeder dritte von ihnen bereit, über sich Auskunft zu geben. 49 Prozent von ihnen kamen aus dem EU-Ausland, 39 Prozent waren deutsche Staatsangehörige, die anderen stammten aus anderen Staaten. 14 Prozent der auskunftswilligen Personen waren weiblich. Dies wertete Breitenbach als Beleg dafür, dass Frauen ihre Obdachlosigkeit eher versteckten und sich auf prekäre Beziehungen einließen, um ein Dach über dem Kopf zu haben. (kna)