Der derzeitige Dalai Lama gilt den Tibetern als 14. Wiedergeburt des Buddhas des Mitgefühls. Seit dem 17. Jahrhundert war der Dalai Lama ("Ozean der Weisheit") nicht nur geistliches, sondern auch weltliches Oberhaupt Tibets, bis er diese Aufgabe 2011 einer zivilen Exilregierung unter Ministerpräsident Lobsang Sangay (51) abgab.
Nach dem Tod eines Dalai Lama suchen die Mönche des Landes nach einem Kind, in dem nach ihrer Überzeugung die Seele des Buddhas fortlebt. Der 14. Dalai Lama, mit bürgerlichem Namen Lhamo Thondup, wurde 1935 im Nordosten Tibets als Sohn einer Bauernfamilie geboren und 1937 als Reinkarnation des Dalai Lama erkannt.
Nachdem der Junge mit dem Mönchsnamen Tenzin Gyatso 1940 als Dalai Lama inthronisiert und 1950 mit Erreichen der Volljährigkeit zum Oberhaupt eines unabhängigen Tibet ausgerufen worden war, marschierte noch im selben Jahr die chinesische Armee ein. Im März 1959 musste der 14. Dalai Lama im Zuge eines von den Chinesen niedergeschlagenen Volksaufstands in der tibetischen Hauptstadt Lhasa fliehen. Seither lebt er im Exil in Indien. Die meisten Klöster und Tempel seines Landes wurden zerstört.
In seinem indischen Hauptquartier Dharamsala stand der Dalai Lama bis 2011 einer Exilregierung für schätzungsweise rund sechs Millionen Tibeter weltweit vor. Nach wie vor wird die Exilregierung insbesondere mit Rücksicht auf die welt- und wirtschaftspolitische Bedeutung Chinas von keinem Staat anerkannt.
Von Dharamsala aus operiert der Dalai Lama durch Reisen und Medienauftritte weltweit als Symbolfigur eines gewaltlosen tibetischen Widerstands. Ziel dieses "Wegs der Mitte" ist nach eigenen Angaben eine "echte Autonomie" mit kulturellen und religiösen Freiheiten für die Tibeter unter nomineller Oberhoheit der Volksrepublik China. 1989 erhielt der Dalai Lama den Friedensnobelpreis. Am 6. Juli 2020 wird er 85 Jahre alt. (KNA / 26.06.2020)