Das Erdbeben in Zentralitalien hätte nach Expertenmeinung nicht zuverlässig vorhergesehen werden können. In der Region seien jederzeit Erdbeben dieser Stärke möglich - ohne messbare seismische Signale im Vorfeld, sagte Stefan Hergarten, Professor für oberflächennahe Geophysik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, der Deutschen Presse-Agentur. Auch in diesem Fall habe es höchstwahrscheinlich kein Vorbeben gegeben - wie bei ungefähr der Hälfte aller starken Erdbeben weltweit.
"Es ist noch sehr schlecht verstanden, warum manche Beben von Vorbeben begleitet sind und manche überhaupt nicht", sagte Hergarten. Gleichzeitig gelte: Selbst wenn es an einem Ort beispielsweise mehrfach Erschütterungen der Stärke 4 gebe, müsse darauf nicht unbedingt ein starkes Beben folgen. Man versuche seit Jahrzehnten, die Muster von Vorbeben zu verstehen - auch um nicht zu häufig falschen Alarm auszulösen.
Neben den seismischen Indizien gebe es auch noch andere Warnsignale: Veränderungen im Untergrund, die Tage oder Wochen vor dem Beben auftreten könnten. "Das sind Gase, die durch Spalten, die sich öffnen, aufsteigen können", sagte Hergarten. "Das können auch verdächtige Veränderungen im Grundwasserstand eines Brunnens sein, wenn sich etwas in der Erdkruste verschiebt." Solche Vorzeichen könnten aber unmöglich flächendeckend überwacht werden und seien schwer zu deuten.
In Hochrisiko-Regionen wie Japan und Kalifornien werde zwar ein höherer Aufwand zur Frühwarnung betrieben als beispielsweise in Italien. "Aber selbst da ist man weit davon entfernt, Erdbeben zuverlässig vorhersagen zu können", sagte Hergarten. Italien - als eines der erdbebengefährdetsten Länder Europas - habe jedoch den Ruf, nicht genügend für baulichen Schutz zu tun.
Besonders gefährdet sei in dem Land der gesamte Apennin mit Schwerpunkt im Süden sowie die Nordostecke von Italien. Bei sehr starken Beben könne auch die Hauptstadt Rom Schaden nehmen. (dpa/Stand 25.08.16)