Führende Vertreter der beiden großen Kirchen haben das neue Flüchtlingspapier der CSU scharf kritisiert. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki sagte: "Wenn die CSU das Grundgesetz ernst nimmt, kann sie keine Obergrenze verlangen. Das lässt das Asylrecht nicht zu." Der rheinische Präses Manfred Rekowski nannte eine Bevorzugung von Zuwanderern aus dem christlich-abendländischen Kulturkreis mit seinem Verständnis von christlicher Nächstenliebe "gänzlich unvereinbar". Auch andere Kirchenvertreter reagierten auf die Forderungen ablehnend.
Einen Tag vor dem Koalitionsgipfel am Sonntag im Kanzleramt hatte der CSU-Vorstand einstimmig ein Papier zur Flüchtlingspolitik beschlossen, das auch in der Schwesterpartei CSU auf Kritik stieß. Es schreibt unter anderem eine jährliche Obergrenze für Flüchtlinge fest. Für Zuwanderer aus dem «christlich-abendländischen Kulturkreis» ist eine Vorrang-Regelung geplant. Diese solle für die klassische Einwanderung gelten, aber nicht für die Asyl- und Flüchtlingspolitik.
Rekowski fordert Einwanderungsgesetz
Woelki sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger" am Wochenende, mit den Forderungen trage die Partei zur Polarisierung bei und betreibe das Geschäft der Rechtspopulisten von der AfD. Er halte nichts davon, "das nachzubeten, was andere falsch vorgedacht haben". Rekowski betonte in dem Blatt (Montag): "Im Blick auf den Umgang mit Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylsuchenden gibt es humanitäre und rechtliche Verpflichtungen, die sich keinesfalls auf Menschen einer bestimmten kulturellen Prägung oder Religionszugehörigkeit beschränken lassen." Zugleich forderte er "nach jahrelanger Untätigkeit endlich ein Einwanderungsgesetz". Das diene dem gesellschaftlichen Frieden.
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, sagte im Deutschlandfunk, das CSU-Papier bediene Vorurteile und vereinfache unsachgemäß. Er sprach von einer "verwilderten politischen Diskussion". Zugleich nahm er die Partei in Schutz gegen eine seiner Meinung nach überzogene Kritik. Im Papier sei nicht davon die Rede, dass man Flüchtlinge sortieren wolle nach Christen und Muslimen. Das wäre auch eine "antichristliche Position".
Angst vor AfD
Der Provinzialobere der deutschen Jesuiten, Stefan Kiechle, sagte dem Kölner domradio, hinter vielen Forderungen der CSU stecke vor allem die Angst, Wählerstimmen nach rechts zur AfD zu verlieren. Er könne sich nicht vorstellen, "dass der Schuss richtig gezielt ist. Ich glaube, er wird nach hinten losgehen."
(Quelle: KNA, 11.9.2016)