Der fünfminütige Auftritt von Sebastian Urbanski am Rednerpult des Bundestags war am Freitag der wohl anrührendste Moment einer ohnehin bewegenden Gedenkstunde für die Nazi-Opfer. Der 38-jährige Schauspieler aus Berlin hat das Down-Syndrom, und er las aus einem Brief von Ernst Putzki, den die Nationalsozialisten 1945 umgebracht hatten. Putzki war eines von rund 300 000 Opfern des "Euthanasie"-Programms, mit dem kranke, behinderte oder hilflose Menschen - aus NS-Sicht "Lebensunwerte" - getötet wurden.
Es war das erste Mal in der Geschichte des Bundestags, dass dort ein Mensch mit geistiger Behinderung sprach. Und es war das erste Mal, dass das Parlament die durch nationalsozialistische "Euthanasie" Ermordeten am Holocaust-Gedenktag besonders hervorhob.
"Todeskandidaten" wie er selbst seien in die Landesheilanstalt Weilmünster in Hessen verlegt worden, "damit man uns in dieser wenig bevölkerten Gegend unauffällig verhungern lassen kann". So zitierte Urbanski, Mitglied des Theater-Ensembles RambaZamba und Buchautor, aus Putzkis Brief an seine Mutter vom September 1943. Und weiter: "Die Menschen magern hier zum Skelett ab und sterben wie Fliegen." Mord durch Verhungernlassen war Teil des grausamen "Euthanasie"-Programms.
Bundestagspräsident Norbert Lammert hatte die Verlesung des Putzki-Briefes durch Urbanski so angekündigt: "Alle Fakten zur "Euthanasie" bleiben ohne die Vergegenwärtigung der Opfer abstrakt. Erst die Einzelschicksale der Gequälten und Ermordeten lassen uns wirklich erkennen, was unschuldigen Menschen angetan wurde." (dpa/Stand 27.01.17)