Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW kritisiert den geplanten Olympischen Fackellauf durch die japanische Präfektur Fukushima. Am Donnerstag soll laut IPPNW der Fackellauf in der hoch verstrahlten Sperrzone nahe den 2011 havarierten Reaktoren starten.
Auch sollen in Fukushima-City im Sommer olympische Baseball- und Softball-Wettkämpfe ausgetragen werden. "Mit den Bildern vom Fackellauf durch die Sperrzone will die japanische Regierung zeigen, dass der Wiederaufbau zehn Jahre nach der Reaktorkatastrophe geglückt ist, dass in Fukushima wieder Normalität eingezogen ist", kritisierte der Vorsitzende der deutschen IPPNW-Sektion, Alex Rosen, am Dienstag in Berlin.
Doch diese vermeintliche Normalität gebe es nicht. Die havarierten Reaktoren seien weiter nicht unter Kontrolle, in den Dörfern und Städten lägen die Strahlenwerte bis zu 20 Mal über den international zulässigen Grenzwerten, sagte der Mediziner. An das Internationale Olympische Komitee (IOC) und den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) appellieren die Ärztinnen und Ärzte, das Narrativ der japanischen Regierung, in Fukushima sei alles wieder normal, nicht zu unterstützen.
Millionen Menschen müssten seit zehn Jahren mit den Gefahren der erhöhten Strahlung leben, Hunderttausende mussten ihre Wohnorte verlassen, Zehntausende harrten weiter in Behelfsunterkünften aus. "Für sie alle ist das Leben heute weiter fern ab jeder Normalität", so IPPNW. "Die Olympischen Spiele werden von der Regierung als geeignete Bühne gesehen, um Ungefährlichkeit von Nuklear zu zeigen", kritisierte Yu Kajikawa von der deutsch-japanischen Anti-Atominitiative Sayonara Nukes Berlin.
Nach Angaben der Anti-Atomaktivisten soll der Fackellauf direkt durch die Sperrzone von Fukushima und dort durch völlig verstrahlte Ortschaften führen. In der Stadt Futaba, nur vier Kilometer vom AKW entfernt, seien dafür 2020 Jahr kurzfristig Straßen und Ortsteile dekontaminiert, frisch geteert und für die Öffentlichkeit freigegeben worden. Yu Kajikawa und Rosen sprechen von einer großen "Olympia-Show in der Sperrzone". Wälder und Felder könnten nicht kontaminiert werden, sagte Kajikawa. Auch deshalb seien bislang nur zehn Prozent der Einwohner in die betroffenen Gebiete zurückgekehrt, die meisten davon Alte.
Nach Angaben des IPPNW-Vorsitzenden sind die Erkrankungszahlen vor allem von Kindern und Jugendlichen unter 25 Jahren mit Schilddrüsenkrebs in der Präfektur Fukushima um das 16-fache angestiegen. Statt statistisch 13 Erkrankungsfällen in zehn Jahren seien 213 festgestellt worden. Rosen kritisierte, dass die japanischen Behörden viele Chancen vertan hätten, um wichtige medizinische Studien zu den gesundheitlichen Folgen des Reaktorunglücks zu fördern: "Da soll wohl nicht so genau hingeschaut werden, auch um Entschädigungszahlungen zu verhindern."
Am 11. März 2011 war es nach einem Erdbeben und einem Tsunami zu Kernschmelzen in den Reaktoren des AKW Fukushima Daiichi gekommen. In der Folge mussten bis zu 150.000 Menschen aus dem Gebiet evakuiert werden. Die Olympischen Spiele 2020 waren wegen der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben worden. Sie sollen nun vom 23. Juli bis 8. August in Tokio stattfinden. (epd / 23.03.2021)