Die Gründung der Abtei soll auf eine Erscheinung des Bischofs von Avranches zurückgehen: 708 wurde er im Traum vom Erzengel Michael mehrfach zum Bau einer Kirche aufgefordert. Und so begann man mit der Errichtung eines Bauwerks, dessen Fertigstellung Hunderte von Jahren dauerte.
Im 10. Jahrhundert siedelten sich schließlich die ersten Benediktiner in der Abtei an. Aus dem 10. Jahrhundert stammt etwa die Kirche Notre-Dame-sous-Terre, in der 996 die Hochzeit des Herzogs Richard II. mit Judith de Bretagne stattfand. Mit diesem Ereignis erlebte das Benediktinerkloster einen lange dauernden Aufschwung, der von zahlreichen Baumaßnahmen begleitet war.
Über 500 Jahre wurde an den Anlagen gearbeitet. Die Abtei wurde zu einer regelrechten Festung ausgebaut, die während der Hugenottenkriege allen Angriffen trotzte. Während der französischen Revolution wurde das Kloster aufgegeben und lange als Gefängnis genutzt. Seit den sechziger Jahren leben hier wieder einige Benediktiner und füllen die Klosteranlagen mit geistlichem Leben.
Architektur
Romanik, Gotik und viele andere Einflüsse machen das Bauwerk zu einem schwer zu beschreibenden Ganzen, in dem sich die unterschiedlichsten Stile wiederfinden. Die lange Bauzeit, die Größe des Bauvorhabens selbst, das schwierige Gelände, auf dem der Glaubensberg thront, zahlreiche Planänderungen und viele weitere Faktoren haben dazu beigetragen, dass man auf dem Mont St. Michel heute ein sehr komplexes Ensemble vorfindet, das den Besucher auf Schritt und Tritt mit Erstaunen erfüllt. Im Mittelalter galt dieses Bauwerk in schwindelerregender Höhe als ein wahres Wunderwerk Gottes. Und auch heute noch ist es atemberaubend.
Über die Grand Rue, die einzige Straße der kleinen Gemeinde, nähert man sich diesem Wunder, dem "Merveille". Der dreistöckige Klosterkomplex wurde an der Nordseite der Insel errichtet und ist zugleich Unterbau der Abteikirche. Vom ehemaligen Vorratskeller und Almosenraum über den Salle de Chevalier, den Rittersaal, und den Salle d’hôtel, den Gastraum, gelangt man weiter durch den Komplex, erreicht den Kreuzgang, das Brunnenhaus, das Refektorium – und schließlich die Abteikirche selbst. Sie schlägt einen architektonischen Bogen von der Frühromanik bis hin zur Spätgotik und war jahrhundertelang Ziel der Pilger, die hier den Reliquien des Heiligen Michael Ehre zollten.
Die Abtei besteht aus mehr als 20 Sälen, darunter eine Kapelle im vorromanischen Stil, romanische und gotische Konventsgebäude sowie ein Chorraum im spätgotischen Stil. Im Laufe der Jahrhunderte und in Folge von Bränden, Umbauten, architektonischen Anpassungen und veränderten Nutzungsbedingungen hat sich die Abtei immer wieder verändert. Dennoch ist sie bis heute eine wichtige Pilgerstätte geblieben. Neben ihrer religiösen Bedeutung hat sie gegenwärtig vor allem eine symbolische Funktion als Abbildung der Romantik. So ging ein Teil der Abtei 1204 bei einem Brand in Flammen auf, der durch den berühmten Bau Merveille ersetzt wurde, der Empfangssäle für die Pilger beherbergte (Seelsorge und Gästeräume) sowie Wohnbereiche für die Mönche (Skriptorium, Speisesaal der Mönche).
Während des Hundertjährigen Krieges wurde das Dorf am Fuße der Abtei von einer mächtigen Festungsmauer umgeben. Der heroische Widerstand des Bergs gegenüber den Engländern machte aus ihm das Symbol der Nationalidentität. Der Chor der Kirche, der 1421 einstürzte, wurde, als der Frieden wieder einkehrte, durch ein prächtiges Bauwerk im gotischen Flamboyantstil ersetzt. Die Abtei bietet somit ein einzigartiges Panorama auf die mittelalterliche Architektur. 1790 verließen die Mönche ihr Kloster, das daraufhin bis 1863 als Gefängnis diente.
(Quelle: Explore France)