Als Kind eines jüdischen, deutschen Vaters und einer katholischen, Wiener Mutter, wurde Jerzy Gross in Krakau, wo sein Vater als Ingenieur Brücken baute, geboren. Die Mutter, die als österreichische Katholikin dem Holocaust hätte entkommen können, blieb bei Mann und den beiden Söhnen, teilte ihr Schicksal. Jerzy Gross war neun Jahre alt, als Hitler Polen überfiel und er mit seiner Familie den Verfolgungen der Nazis ausgeliefert war. Zwei Ghettos und drei Konzentrationslager hat Jerzy Gross überlebt. Mit ihm überlebte aus der über 60-köpfigen Großfamilie nur ein Onkel.
Wunderkind an der Geige
Ein Onkel von Jerzy Gross war ein international konzertierender Geiger. Er entdeckte das große Talent von Jerzy Gross an der Geige. Die Familie unterstützte die Ausbildung des ungewöhnlich begabten Kindes. Selbst im Ghetto bekam Jerzy Gross noch Geigenunterricht.
Schindlers Liste
Jerzy Gross' Mutter war bei dem Fabrikanten Oskar Schindler, der durch Steven Spielbergs Hollywooddrama "Schindlers Liste" bekannt werden sollte, angestellt. Oskar Schindler versuchte gegen Ende des zweiten Weltkrieges, die jüdischen Arbeiter seiner Emaillewarenfabrik in Krakau zu retten. So entstand die später berühmt gewordene Liste, die tatsächlich mehr als 1100 Menschen rettete. Einer von ihnen war Jerzy Gross. Seine Mutter wurde in Ausschwitz verraten, sein Vater im KZ Plaszow deportiert, sein vier Jahre älterer Bruder verschwand, obwohl er auch auf der Liste stand.
Hundepfleger im KZ
Jerzy Gross verdankte sein Leben aber noch einem anderen Mann, dem hohen NS-Funktionär Franz Müller. Ausgerechnet. Franz Müller rettete Jerzy Gross erst im Ghetto Bochnia, dann im KZ Plaszow immer wieder vor Selektionen und bei Deportationen, in dem er ihn an beiden Orten zum Hundepfleger machte. So versorgte Jerzy Gross sechs, zum Töten abgerichtete, dänische Doggen, sowie den Schäferhund von Franz Müller und verbrachte z.B. eine Nacht im Zwinger, als alle anderen Kinder mit dem Kindertransport deportiert wurden.
Befreiung: 15 Jahre, 27 Kilo
Im Mai 1945 wurde das Konzentrationslager Brünnlitz in Oberschlesien befreit. Jerzy Gross war damals 15 Jahre alt. Er wog noch 27 Kilo. Vergeblich hoffte Jerzy Gross, seine Fanilie in Krakau wieder zu finden. Ganz auf sich alleine gestellt machte er seine Schule zu Ende, lernte wieder Geige und bewarb sich erfolgreich am Konservatorium. Er wurde musikalischer Redakteur beim Radio und Mitglied eines Radiosinfonieorchesters. Später ging er nach Israel, spielte in Tel Aviv auf Caféterassen am Meer mit kleinen Klezmer und Countryorchestern.
Abgesagter Prozess
In 60er Jahren kam Jerzy Gross nach Deutschland, um in einem Prozess für Franz Müller auszusagen. Als der Prozess in letzter Minute abgesagt wurde, erkrankte Jerzy Gross so schwer, dass er viele Monate nicht transportfähig war. Nach seiner Genesung blieb er in Deutschland.
Schindlers Liste im Kino
Als der Film "Schindlers Liste" 1993 in die Kinos kam, war Jerzy Gross so empört über die Hollywoodfassung seines Schicksals, dass er als Zeitzeuge anfing, selber zu sprechen. Davon ließ er sich auch nicht abbringen, als er daraufhin von Neonazis bedroht wurde. Seitdem verwendete er einfach ein Pseudonym:Michael Emge.
Buch und Film
In der Folge dieser domradio Sendung drehte der Grimmepreisträger Martin Buchholz eine Dokumentation über Jerzy Gross für die ARD. Der Film erschien später beim katholischen Filmwerk als DVD. Der Herderverlag reagierte auf diese Dokumentation und brachte das Buch "Spiel mir das Lied vom Leben" von domradio Mitarbeiterin Angela Krumpen heraus.
Angela Krumpen schrieb auch eine Bühnenfassung zu diesem Buch, mit der Jerzy Gross in ganz Deutschland seine Geschichte vor mehr als 12.000 Jugendlichen erzählte.
Jerzy Gross starb am 24. Juli 2014 in Köln.