Und ein gläubiger Mensch. Im Interview spricht er über seine katholische Diaspora-Jugend, seinen Weg in die Medien und die Zukunft der Kirche.
Harald Schmidt über seine katholische Sozialisation
"Das Elternhaus war sehr katholisch. Also, da ging man sonntags einfach in die Kirche, weil man sonntags in die Kirche ging. Da wurde getauft, da wurde erstkommuniziert, da wurde gefirmt. Da sprach der Pfarrer bei der Beerdigung und nicht der Laienprediger, der sich noch eine halbe Stunde im Architekturbüro nachmittags freinehmen muss.
Ich war im Kirchenchor, ich habe an der Kirchenmusikschule Rottenburg die sogenannte C-Prüfung für Hilfsorganisten gemacht. Das ist so ein bisschen für Desperate Housewives, also es sind überehrgeizige Menschen hauptsächlich, die sich unglaublich überfordern, mit dem, was sie da auf der Orgel spielen wollen. Und ich war Pfadfinder, deutsche Pfadfinderschaft St. Georg. Also eine klassische, katholische Diaspora-Jugend."
Warum es nicht zum Pfarrer gereicht hat.
"Weiber!" (lacht)
Über die Late-Night-Jahre
"Das kann man eigentlich nur mögen, oder man kann es nicht mögen, dazwischen gibt es nichts. Jetzt ist die Zeit vorbei, aber eine Zeit lang in war das doch ein Format, was sehr gut funktioniert hat, und was ich mit großem Spaß betrieben habe.
Denn es lebt ja davon, dass man als Moderator auch wirklich die eigene Befindlichkeit ausstellt. Dass man sagt, ich bin jetzt seit drei Tagen erkältet, oder ich habe eine komplizierte Zahnbehandlung vor mir. Also alles das ist ja das Wesen einer Late-Night-Show, denn wenn man nicht das Publikum hat, das das hören will, dann funktioniert das nicht."
Über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie
"Ich habe ja in der Show nicht eine andere Welt betreten, sondern die Show war ja dann ein Teil meines Alltag. Ich sagte ja nicht, ab 16 Uhr bin ich Künstler, sondern man lebt sein ganz normales Leben und geht dann einfach abends hin und macht diese Show und lässt ja auch möglichst viel von diesem normalen Leben in die Show einfließen. Also das habe ich nie als Widerspruch empfunden."
Der Abschied vom Fernsehen
"Also ich war zwischendurch mal müde, und vielleicht musste ich mich mal ein bisschen zwingen. Aber für mich war klar, dass ich nicht aufhöre, sondern dass man mir den Stecker ziehen muss. Und so ist es ja dann auch gekommen. Ich habe es dann, als es letztlich vorbei war, doch als Befreiung und Erleichterung erlebt, was mir gar nicht klar war, dass es so sein würde. Aber ich habe es keine Sekunde lang vermisst."
Über Drogen
"Ich habe eigentlich sehr diszipliniert gelebt. Alles in Maßen. Ich habe nie Drogen genommen. Aber gar nicht mal, weil ich nicht wollte, sondern weil ich nicht mit dem Umfeld zu tun haben wollte, das man braucht, um Drogen zu beschaffen. Ich wusste auch nicht, was bei einer Droge bei mir noch erweitern sollte, weil ich sowieso 24 Stunden am Tag unter Strom war. Und ansonsten steckt in mir einfach so eine amerikanische Mentalität. Man hat einen Job zu erledigen, und man hat sich so in Form zu halten, dass man diesen Job jeden Tag machen kann. Ich bin ja auch sehr gut dafür bezahlt worden, also das war für mich immer so eine professionelle Haltung."
Über seine Hobbys
"Man muss sich ja nur nicht einreden lassen, dass man Hobbys bräuchte. Ich renne auch nicht ins Museum oder zu irgendwelchen Festivals, wo man angeblich hin muss. Ich mache nichts. Ja. Im wahrsten Sinne, ich gehe spazieren. Weil das meiste mich eigentlich, muss ich doch sagen, langweilt. Vieles habe ich natürlich auch schon gesehen. Und was Reisen und so weiter angeht, ist doch nahezu jede Reise in der Fantasie besser, als wenn man sie tatsächlich antritt.
Das Selbstgespräch ist für mich doch mit das Allerwichtigste und da stehe ich, glaube ich, auch in der Tradition des Alten Testaments. Also, das war doch diese Abteilung, wo man dann in die Wüste zurückging und erleuchtet zurückkam, nicht?"
Der spirituelle Mensch
"Ich suche Gott nicht. Aber ich glaube doch daran, dass es etwas gibt, was größer ist als wir, und das gibt mir doch eine große Gelassenheit und Beruhigung. Also, ich glaube an das ewige Leben, womit man natürlich für Irritationen sorgt, wenn man das außerhalb einer blutleeren Kutte verkündet. Aber dieser Choral "Wir sind nur Gast auf Erden und wandern ohne Ruh, mit mancherlei Beschwerden, der ewigen Heimat zu", der war immer einer meiner Lieblingschoräle. Ist auch eine sehr, sehr, sehr schöne Musik. Und ich meine, den nehme ich ernst, und die Zeitspanne ist ja nun relativ kurz. Ob Sie also jetzt 40 werden, 50 werden, 60 werden, 80 werden: Wir sind ja gerade in der katholischen Kirche gewohnt, von Ewigkeit zu Ewigkeit zu denken. Da sollte man sich nicht mit allzu viel belasten, für die Jährchen, die wir hier auf Erden wandeln. Sondern wir sollten sagen: "Rechtes Bein geht, linkes Bein geht. Rechtes Auge sieht, linkes Auge sieht. Wird ein guter Tag."
Das Gebet
"Das ist der Versuch, eben so etwas wie in Dialog mit Gott zu treten. Kein Mensch weiß, wie viel Zeit einem bleibt. Und ich bin sehr vorsichtig, weil die großen Mahner und Warner, die uns immer mit jedem Jahr mit einem Buch erfreuten, mit Ratschlägen, worauf wir im Alter achten müssen und so, die sind plötzlich alle weg, nicht? Kurz nach dem Frühstück haut es die um. Aber vielleicht ist das ja eine Möglichkeit. Dass man es krachen lässt, und danach kommt etwas völlig anderes, nicht? Nehmen Sie zum Beispiel Franz von Assisi. Oder Augustinus. Man ist vorher auf bestimmte Art unterwegs gewesen, und dann kommt nochmal was völlig anderes. Ich wundere mich immer, wenn ich gefragt werde, was ich jetzt so mache. Und das ich gleich irgendwie ein blödes Quiz oder sowas aus dem Ärmel schütteln soll oder irgendwelche irren Pläne mit irgendwelchen Fernsehsendungen. Aber ich sage: "Kinder, das hatte ich jetzt, und jetzt bin ich erstmal Investmentbanker in eigener Sache." Und als Banker ist ja eigentlich der Einstieg in der Kirche dann vorgezeichnet."
Über die Kirchensteuer
"Ich kann als leidenschaftlicher und überzeugter Kirchensteuerzahler in der reichsten Diözese der Welt aus vollem Herzen sagen: Kirche und Geld, da muss man nicht lange nach einem Zusammenhang suchen. Finde ich übrigens auch in Ordnung. Ich zahle ja aus vollem Bewusstsein Kirchensteuer, und ich weiß nicht, ob nicht die nächsten Jährchen, die ich noch auf Erden wandle, etwas völlig anderes kommt, was in den Bereich der Selbstfindung, wie auch immer, geht. Aber das heißt nicht, dass ich von einem WDR-Kamerateam begleitet in ein Kloster in der Eifel ziehe und "om, om" mache, den ganzen Nachmittag. Aber ich finde die Zeiten, in denen wir leben, so fantastisch und aufregend, dass ich mich nicht damit belaste, mich ständig zu fragen, welchen Plan ich für morgen haben könnte. Sondern ich gucke mal, was auf mich zukommt."
Über die Kirchenmusik
"Zwei meiner Lieblingschoräle sind "Ein Schiff, dass sich Gemeinde nennt" und "Ein Haus voll Glorie schauet". Letzteres wird ja von vielen kritischen Kirchenmenschen kritisch gesehen, weil es so selbstreferenziell und bombastisch ist. Ich fand den Choral immer toll. Wenn man da so in die Vollen geht, und wenn da ein Spitzenorganist rangeht, der das auch für jede Strophe neu harmonisiert, was ich nicht konnte, dann ist das schon eine feine Sache, fernab jeden Zweifels, ja. Also da würde ich direkt, wenn das gut gespielt ist, die Wiedereintrittsformulare für die evangelischen Brüder und Schwestern auslegen. Die ja, wie ich hörte, an höchster Stelle im Vatikan als morsches Holz bezeichnet werden, richtig?"
Über die Fronleichnamsprozession
"Der Domorganist Winfried Bönig ist übrigens ein großartiger Künstler, muss man sagen. Also fantastisch. Das habe ich habe jetzt wieder an Fronleichnam gedacht.
Ich bin mit der Gemeinde von St. Peter mitgelaufen. Da spielt auch ein fantastischer Organist, Dominik Susteck, der allerdings ausschließlich zeitgenössisch spielt. Und da hieß es, wir nehmen alle eine Kutte, als wir losgingen. Wusste ich vorher gar nicht, aber ich dachte mir, ziehe ich mal eine Kutte an. Und ich habe mich auch sehr gefreut, als im Internet sofort eine Beziehung zum Ku-Klux-Klan hergestellt wurde, was ich als Kabarettist natürlich unterschreiben muss, optisch."
Über Kirche heute
"Es gibt ja unglaublich viele Richtungen. Wir haben natürlich jede Menge übelster Themen aufzuarbeiten. Das ist ja ganz klar. Die ganze Missbrauchsgeschichte, da kann es ja keine zwei Meinungen geben, das ist undenkbar. Da ist die Kirche ja nicht im rechtsfreien Raum, da haben wir ganz klare Vorschriften, wie sowas behandelt werden muss. Aber im Rahmen der 2000-jährigen Geschichte hatten wir schon viele finstere Kapitel. Der Scheiterhaufen wird ja eigentlich, außer bei privaten Festivitäten, kaum noch angeworfen. Aber es heißt ja: "In guten wie in schlechten Zeiten"
Über Kardinal Woelki
"Ich habe die Übertragung des Gottesdienstes im Kölner Dom für die Opfer der Germanwings-Katastrophe gesehen. Da fand ich schon beeindruckend, dass Kardinal Woelki dann in der Kirche sagte: "Falls Sie überhaupt an Gott glauben". Das fand ich doch eine bemerkenswerte Haltung vom Kardinal."
Über die Weitergabe des Glaubens
"Da kann ich mit Woody Allen antworten. Ich versuche, Gott in die Kinder einzuprügeln. Nein, im Ernst: Wir sind katholisch. Und ich hätte durchaus Verständnis, wenn die Kinder sagen: "Ich sehe das kritisch oder ich bin durch einzelne Sachen so irritiert und auch abgestoßen, ich trete aus der Kirche aus." Warum nicht? Man kann ja auch wieder eintreten, ja? Also die Sache ist lebendig, und es ist mal besser, mal schlechter. Es lebt ja wie alles von den Menschen, die die Sache betreiben. Und das ist ja auch das Interessante."
Das komplette Interview mit Harald Schmidt können Sie hier im Wortlaut lesen und hören.