Was für ein Blick: Hannelore Bartscherer schaut aus ihrem Büro direkt auf die Domplatte in Köln. Während der Dom steinern an die Ewigkeit mahnt, wuselt es im Jahreskreis um ihn herum: Ob Köln-Marathon, Rosenmontagszug, Christopher Street Day oder die Fronleichnamsprozession – Hannelore Bartscherer hat von ihrem Fenster einen Logenplatz auf das pralle Kölner Leben.
Alle Menschen sind anders
"Von diesem Blick kann ich gar nicht genug bekommen, deswegen habe ich damals als erstes meinen Schreibtisch mit dem Rücken zum Fenster gestellt. Sonst wäre ich immer abgelenkt", sagt Hannelore Bartscherer, während sie sich auf die Fensterbank setzt und das Treiben betrachtet: "Aber wenn ich eine kreative Pause brauche – dann setze ich mich hier hin."
In Köln geboren und aufgewachsen, absolvierte Hannelore Bartscherer eine Ausbildung bei einer Versicherung. Schon früh übernahm sie Verantwortung, indem sich Hannelore Bartscherer vielseitig ehrenamtlich engagierte. Dazu gehörte neben der Mitarbeit im Pfarrgemeinderat von St. Matthias im Kölner Stadtteil Bayenthal, dessen langjährige Vorsitzende sie war, auch die Gründung einer kfd-Gruppe (Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands). 1990 war Bartscherer Brudermeisterin der St. Matthias Bruderschaft Köln-Bayenthal und sechs Jahre später sogar Bezirksbrudermeisterin der St. Matthias Bruderschaften des Bezirk Mittelrhein. Das vermehrte Engagement auf Stadtdekanatsebene führte sie zum Katholikenausschuss in der Stadt Köln, die Vertretung der Laien im Stadtdekanat. Seit 1998 ist Hannelore Bartscherer Vorsitzende des Ausschusses und ist in dieser Funktion in verschiedenen Gremien und Arbeitsgruppen vertreten wie zum Beispiel im Vorstand der "Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit", dem "Rat der Religionen" sowie "Köln stellt sich quer". Wenn die engagierte Katholikin im Unruhestand dazu kommt, liest sie in ihrer Freizeit gerne.
Seitdem Hannelore Bartscherer in Rente ist hat sie noch mehr Zeit, das zu tun, was sie mit aller Leidenschaft tut: organisieren, sich einmischen, sich einsetzen und unterwegs sein. Als Vorsitzende des Katholikenausschusses in Köln hat sie die ideale Funktion, um das alles auch öffentlich wirksam zu tun.
Aber Hannelore Bartscherer ist auch begeisterte Matthiaspilgerin und leitet eine Bruderschaft, mit der sie jedes Jahr nach Trier pilgert.
Eine Ära geht zu Ende. Zwanzig Jahre lang stand Hannelore Bartscherer, als erste Frau überhaupt, dem Katholikenausschuss in der Stadt Köln vor. Mutig und klug hat sie hat dem Ehrenamt alle Ehre und aus dem Amt eine Institution gemacht.
Von der Wand hinter ihrem Schreibtisch dominiert eine großformatige Leinwand den Raum. Viele, viele Menschen sind darauf in Öl gemalt: Obwohl jeder einzelne einfarbig, leuchtet das Bild doch bunt in rot, blau, gelb, grün, schwarz und weiß. "Die Bilder, die hier hingen, gefielen mir gar nicht. Da hat mein Mann, der Maler ist, eines für mich gemalt. Auch wenn es hinter mir hängt – ich fühle mich umgeben, behütet, beschützt. Die vielen Menschen, alle unterschiedlich, aber gemeinsam unterwegs – das ist Kirche für mich. Das ist Gemeinschaft."
Eine grandiose Aufgabe
24 Jahre lang war Hannelore Bartscherer im Vorstand des Katholikenausschusses in der Stadt Köln, 20 davon als Vorsitzende. Nach all den Jahren sagt sie: " Es ist eine wunderbare Aufgabe. Die 20 Jahre haben mir für mein Leben viel gegeben. Es war keine leichte – aber eine grandiose Aufgabe."
Ich? Vorsitzende? Niemals!
Hannelore Bartscher hat aus dem Amt eine Institution gemacht: "So sagen das jetzt alle. Aber ich bin einfach, wie ich bin. Und wenn ich eine Aufgabe übernehme, kann ich die nur so übernehmen, wie ich sie als Katholikin richtig finde."
Hannelore Bartscherer spricht immer von Katholiken und Katholikinnen, von Christen und Christinnen. Die weibliche Form ist ihr wichtig. Sie will Frauen stärken. Auch weil sie Stärkung erfahren hat. "Meine erste Reaktion war typisch Frau" als man ihr das Amt antrug: "Ich? Vorsitzende? Nie!" Sie war sich sicher: "Ich soll Reden halten? Woher soll ich die Gedanken nehmen?" Man bat sie nachzudenken.
Hilfe vom lieben Gott
Das tat Hannelore Bartscherer und fragte zehn ganz unterschiedliche Menschen. Die sich einig waren, alle sagten: "Wir finden das gut, mach das." Und alle sagten ihre Unterstützung zu. Am Ende setzte sich Hannelore Bartscherer in ihre Heimatkirche: "Lieber Gott, wenn du meinst, dass das der Weg ist, dann musst du mir helfen. Und dann habe ich ja gesagt."
Aus diesem "Ja" ist viel geworden. Über alle Parteigrenzen und Milieus in die Zivilgemeinschaft vernetzt, hat der Vorstand des Katholikenausschusses mit Hannelore Bartscherer an der Spitze viel bewegt. Unter anderem bei der Kampagne "Köln stellt sich quer", einer Antiislamisierungskampagne. Christentum und Politik liegen für Hannelore Bartscherer ganz nah beieinander.
Christenmenschen sind immer politisch
"Wenn ich mich für meinen Nächsten einsetze, der keine Lobby hat, dann bin ich von jetzt auf gleich hochpolitisch. Christenmenschen sind immer politisch. Das ist gelebtes Christentum für mich." Und so sehr Hannelore Bartscherer Konflikte verabscheut – sie gehören eben dazu: "Ich bin harmoniesüchtig, ich brauche überhaupt keine Konflikte in meinem Leben. Aber Leben ohne Konflikte gibt es nicht. Und wenn ich wahrhaftig sein will, dann habe ich eben den Konflikt." Hannelore Bartscherer wollte wahrhaftig sein.
Selbst wenn das größere Konflikte bedeutet, wie bei dem um die Schwangerenberatungsstelle Donum Vitae. Sie setzte sich ein "um die Mütter zu erreichen, die sich noch nicht entschieden hatten. Die Chance alle zu erreichen, die sich noch nicht entschieden hatten, wollten wir nicht aufgeben. Ich hab damals gewusst, wir retten Kinder. Wenn ein einziges Kind hätte gerettet werden können, hätte sich alles schon gelohnt. Dieses Kind ist von Gott geliebt, von Gott gewollt. Was Besseres können Menschen nicht tun, als Leben zu retten." Aber es ist nicht um ein Kind gegangen. "Es sind Tausende Kinder geworden. Allein in den ersten Jahren waren es mindestens 5.000 im Jahr!"
Ehrenamt ist der Kitt unserer Gesellschaft
Bei aller Kritik, die es am Ehrenamt gibt, ist Hannelore Bartscherer überzeugt: "Wir brauchen das Ehrenamt, es ist der Kitt in unserer Gesellschaft." Ihr hat ihr Ehrenamt jedenfalls viel Spaß gemacht. Jetzt gibt sie den Spaß ab. Wünscht sich mehr Zeit mit ihrem Mann, ihrem schärfsten Kritiker und größtem Unterstützer. Und dass die Arbeit weitergeht. Anders weitergeht, natürlich. Aber weitergeht.
(Angela Krumpen)