Vor 40 Jahren brach die "Cap Anamur" auf, um im Südchinesischen Meer sogenannte Boatpeople aufzunehmen. So viele Menschen haben damals gespendet, dass der Journalist und Menschenrechtsaktivist Rupert Neudeck zusammen mit seiner Familie und seinem Team einen Frachter chartern konnten.
Wir hatten alle Angst.
Das Ziel: den Hunderttausenden von Menschen zu helfen, die vor dem kommunistischen Regime aus Vietnam aufs Meer flohen. Zwei Drittel der Flüchtenden starben auf der Flucht. Aber über 11 000 Menschen konnte die "Cap Anamur" retten. Einer von Ihnen ist Van Hong Le. Der, obschon selbstständig, sich einen Tag freinimmt und extra aus Hamburg für diese Sendung Menschen reist.
1980 war Van Hong Le 19 Jahre alt. "Alle Menschen im Süden hatten Angst vor den kommunistischen Soldaten aus dem Norden", erzählt Van Hong Le. Sein Bruder kam ins Umerziehungslager, die Kirche wurde geschlossen, alle Aktivitäten verboten. Zudem: "An der Grenze zu Kambodscha war Krieg, es war überall Krieg. Und dann der Hunger. Alles war streng rationiert."
Es war wie in einem Thriller
Hunger und Repressionen im Innern, Krieg an den Grenzen: als junge Priesteranwärter aus dem Innern des Landes den jungen Mann fragen, ob sie ihm zur Flucht verhelfen, sagte Van Hong Le zu. Bestellte bei einem Nachbarn, einem Bootsbauer, heimlich ein seetaugliches Schiff. Zur Tarnung arbeitete er fortan als Flussfischer, tat so, als ob er das neue Boot für die Fischerei brauche.
Die Flucht war voller Hindernisse, schon bevor es losging: die mit großen Risiko gehorteten und in Küstennähe vergrabenen Diesel- und Wasserkanister, platzen in der Hitze. Als alles ein zweites Mal organisiert war, kam eine Familie zu spät zum Treffpunkt – und der so sorgsam bei Vollmond und Ebbe berechnete Fluchtweg geriet aus den Fugen: "Die Ebbe war so tief, wir liefen auf Grund."
Für mich bleibt es ein Wunder
Am zweiten Tag tauchte ein Patrouillenboot auf, verfolgte und beschoss die Gruppe: "Wir dachten, jetzt ist alles zu Ende. Die Menschen warfen ihre Papiere und Waffen ins Wasser." Aber dann: "drehte das Boot plötzlich ab, wir wissen bis heute nicht, warum." Am vierten Tag gab es kein Wasser mehr: "Es war Juni, Regenzeit, eigentlich hätte es regnen sollen, wir hatten Planen aufgespannt. Aber es regnete nicht."
"Plötzlich kreiste der grünbemalte Hubschrauber über uns". Wenn Van Hong Le vom vierten Tag der Flucht erzählt, ist ihm bis heute das Erstaunen anzusehen. "Immer noch habe ich die Bilder im Kopf. Eine Frau hat uns gewinkt, aber wir haben sie nicht verstanden." Schließlich verstehen sie doch – sie sollen folgen.
Menschlichkeit kommt von Mensch
Eine dreiviertel Stunde lang folgen sie dem Hubschrauber: "Das war ein Berg von Schiff, so ein Schiff hatte ich noch nie gesehen!“ Aber: "Es hätte auch ein Reiseschiff aus China, Russland oder gar Vietnam sein können!" Es dauert, bis Van Hong Le versteht: er ist in Sicherheit. "Für mich bleibt es wie ein Wunder", sagt er.
In der Sendung erzählt Van Hong Le höchst lebendig von diesen so entscheidenden Stunden seines Lebens. Aber auch von der Ankunft im kalten Winter und vom neuen Leben in Deutschland, erzählt Van Hong Le bewegend. Mit am bewegendsten aber ist Van Hong Les Appel an uns alle, wenn es um die neuen "boatpeople" auf dem Mittelmeer geht: Menschlichkeit kommt von Mensch. Hören Sie selbst!