Von Molière

Der Tartuffe

 (DR)

Im Haus des wohlhabenden Pariser Bürgers Orgon hat sich Tartuffe eingeniestet, ein Betrüger, der den Frommen spielt. Er will Orgon das Vermögen abjagen, Orgons Frau Elmire zu seiner Geliebten und Orgons Tochter Marianne zu seiner Frau machen. Orgon, der sein schlechtes religiöses Gewissen zu betäuben versucht, ist samt seiner Mutter, einer bigotten Familienkommandeuse, von Tartuffes Frömmigkeit verzückt. Er will dem Verlobten seiner Tochter die schon gegebene Zustimmung zur Heirat entziehen, setzt Tartuffe zu seinem Erben ein und verschreibt ihm sein Vermögen. Erst als Elmire, seine Frau, ihm Gelegenheit gibt, ein Gespräch zwischen ihr und dem ihr nachstellenden Tartuffe zu belauschen, jagt er den Heuchler aus dem Haus. Tartuffe, im Besitz der Vermögensverschreibung, versucht jetzt, Orgon mit seiner Familie aus dem Hause zu vertreiben und erreicht auf Grund einer politischen Denunziation, daß der König einen Haftbefehl gegen Orgon erläßt. Moliere unterschiebt nun dem König auf der Bühne so viel Klugheit, Einsicht und Noblesse, daß dem König im Zuschauerraum, Ludwig XIV., nichts anderes übrigbleibt, als sich ebenso nobel zu benehmen.

Tartuffe ist kein frommer Mensch auf Abwegen, sondern ein Schurke, der sich der frommen Maske nur bedient. Trotzdem waren klerikale Kreise der Meinung, der "Tartuffe" richte sich nicht nur gegen den Mißbrauch der Religion, sondern gegen die Religion überhaupt. Sie erreichten sofort nach der ersten Aufführung ein Verbot des Stückes, erreichten, daß dieses Verbot ein Jahr später nach einer Privatvorstellung erneuert wurde, und erst fünf Jahre nach der Uraufführung (am 12. Mai 1664 am Schloß von Versailles) wurde eine gemilderte Fassung gegen den Willen des Pariser Erzbischofs von Ludwig XIV. freigegeben. Der Streit um den "Tartuffe" hat wesentlich dazu beigetragen, daß die soziale Stellung der Schauspieler, die nach einer Verordnung von 1641 im öffentlichen Leben nicht mehr benachteiligt werden durften, gegen Ende des Jahrhunderts sich sehr verschlechtert hat: wieder wurden ihnen die Sakramente entzogen.