Kardinal Meisner zum Hochfest Mariä Empfängnis

"Das große Fest der Kirche"

Zum Hochfest Mariä Empfängnis im Kölner Dom hat Joachim Kardinal Meisner beim Pontifikalamt am Dienstagabend an Maria als das "Idealbild Gottes vom Menschen und das Realbild des Menschen zusammen" erinnert. Nur wer Maria kenne, kenne auch den Menschen. Der Festtag zeige, "zu welcher Höhe der Mensch durch Christus berufen und begnadet" sei.

 (DR)

Es ist vielleicht nicht einfach, die klare frohe Botschaft des heutigen Festes zu unseren Herzen sprechen zu lassen. Aber es lohnt sich, die lange Tradition der Missverständnisse und Engführungen unvoreingenommen hinter uns zu lassen. In Maria feiern wir das Urbild des Menschen, der schon immer, von Anfang der Welt an, von Gott erwählt ist und gegen Angst und Ratlosigkeit in aller Demut diese Erwählung lebt. Wozu bin ich erwählt? Wir sind unterwegs, um dies herauszufinden, tröstlich begleitet von dem Zuruf: "Fürchte dich nicht!"

Erste Lesung
Das Buch Genesis, das erste Buch der hebräischen Bibel, denkt nach über die Anfänge der Welt. Gott schafft aus dem Chaos Kosmos, die ganze Welt in ihrer Ordnung und Schönheit. Von Anfang an ist die Welt von Gott gewollt und gesegnet. Dies sind für Israel keine Aussagen über historische Ereignisse der Ur-Vergangenheit. Gottes Zuwendung zur Welt und zu den Menschen gilt als mitlaufender Anfang für alle Zeit. Aber Gottes Liebe zum Trotz: Zur Ur-Geschichte der Welt und der Menschen gehört unglückseligerweise auch die Geschichte von Schuld und Versagen. Der Mensch lehnt sich in seiner Hybris gegen Gott auf. Die bitteren Fragen Gottes machen es deutlich: Das fraglose paradiesische Glück ist der Verstrickung in Schuld und Widersprüche gewichen.

Zweite Lesung
Im Stil einer feierlichen Predigt wendet sich der Verfasser des Epheserbriefs an christliche Gemeinden in Kleinasien. Er beginnt mit einem hymnischen Lobpreis auf den Heilsplan Gottes für die Menschen. Trotz aller Verstrickung in Sünde und Schuld geht das in der Erschaffung der guten Schöpfung begonnene Werk des guten Gottes weiter. In Jesus Christus hat er seine von Anbeginn geltende Zusage bekräftigt. Sein Segen ruht auf uns. Die uranfängliche Erwählung hat er nicht widerrufen, sie ist und bleibt in Kraft. Sie ruft uns in ein Leben, das sich, in allem Versagen, der befreienden Kraft dieser Erwählung möglichst oft bewusst sein soll. Daraus erwächst der Mut zum Handeln, in Demut und Selbstbewusstsein - des erwählten Menschen würdig.

Evangelium
"Der Herr ist mit dir." - Der Bote Gottes spricht einem Menschen, den er für große Aufgaben erwählt hat, Mut zu. Und nur zu verständlich ist die erste Reaktion auf Gottes Zu-Mutung: Erschrecken und nachdenkliches Überlegen. Erwählung durch Gott macht das Leben nicht leicht. Erwählung durch Gott braucht die kreative Aufmerksamkeit von Herz und Verstand. Erwählung durch Gott braucht Zuspruch durch das tröstende Wort, das Maria in dieser existenziellen Situation nicht versagt bleibt: "Fürchte dich nicht!" Dieses himmlische Wort dürfen wir auch uns gesagt sein lassen und wir können es einander freigebig mitteilen.

(Quelle: Messbuch 2009, Butzon & Bercker Verlag)