Warum wir das Meer aufräumen könnten

Ich habe kein Leben

Hundespaziergang mit der Großen. Eine etwas andere Route. Der Hund schnüffelt und schnüffelt. Reißt an der Leine. Entschuldigend schaut die Große mich, die Hundeunkundige, an. Und erklärt: Ist wie bei Facebook. Jella will halt wissen, was abgeht. "Ach was postet ihr schon Spannendes bei Facebook", lästere ich. An der Antwort kaue ich immer noch herum. "Meistens: Ich habe kein Leben".

Plastikmüll in den Meeren / © epSos.de [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)],
Plastikmüll in den Meeren / © epSos.de [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)],

Ich habe kein Leben? Wie? Ernsthaft? Nein, das heiße nicht, dass man sterben wolle, beruhigt mich die Große. Sondern dass einem sterbenslangweilig sei. Würden sie oft sagen. Kein Leben hieße: den ganzen Tag zur Schule gehen, einen Knasttag haben, Hausaufgaben, Klausuren. Leben hingegen hieße,  eine Freistunde haben. Logisch, leben heißt: frei sein. Besonders mit 16 / 17. Das verstehe ich. Die Formulierung ließ mich aber nicht los. Ich habe kein Leben. Klingt schrecklich. Vor allem bei Jugendlichen.

Ich überlege, mich über diesen Satz in der wunderbar zu wundern. Leider fällt mir nichts ein. Gar nichts. In der Regel hilft dann nur: aufstehen, was anderes machen. Heute koche ich mir einen Kaffee. Während der läuft, blättere ich im Magazin der Süddeutschen. Bleibe bei einem Jungen hängen, der mit 16 in Griechenland tauchte, todfrustriert war, dass er unter Wasser mehr Plastik als Fische sah.  Sich fragte: Warum können wir das Meer nicht aufräumen? Zuhause fand er heraus, dass die Wissenschaft aufgegeben hatte.

Das wollte Boyan Slat, so heißt der niederländische junge Mann, nicht hinnehmen. Dachte das Unmögliche. Meer ohne Plastik.  Entwickelte eine Idee. Am Ende überzeugte  er Tausende von Menschen, ihm Geld zu geben, damit er ein  Modell zu entwickeln konnte. Als die Fachwelt dazu:  Nicht umsetzbar rief, war er nur kurz beleidigt. Dann nutzte der die Kritik, um sein Modell zu überarbeiten. Sagt, früher hätte sich auch niemand eine Reise zum Mond vorstellen können. Mittlerweile gibt es eine Machbarkeitsstudie: schwierig, aber  nicht unmöglich, sagt die.

Mein Kaffee ist lange kalt geworden, so gebannt habe ich gelesen. Was für eine Leistung in einem so jungen Leben. Dann fällt mir der Ausgangsspruch wieder ein: Ich habe kein Leben. Und denke: wir Erwachsenen sind schuld. Warum tun wir so oft so, als könnten wir nichts ändern? Statt zu sagen: wir haben nicht genug Fantasie. Und die Jugendlichen zu fragen: fällt Euch etwas ein?

Vielleicht hätten dann mehr Jugendliche "ein Leben".