Das deutsche Wort heilig ist die Übersetzung für das hebräische Wort qadosch aus dem Alten Testament. Dort bedeutet es soviel wie aussondern, scheiden. Und in der Tat geht es bei der Verwendung des Wortes heilig zunächst darum, eine Unterscheidung zu treffen zwischen göttlich und menschlich.
Unterscheidung zwischen Göttlich und Menschlich
Im Alten Testament ist allein Gott der Heilige, der Bereich Gottes heilig. Und das bedeutet: Der Mensch kann dort nicht hin, er bleibt im Profanen, dem Gegenteil des Heiligen. Was auf den ersten Blick vielleicht fremd klingen mag ist für Pfarrer Gerhard Dane eine der ersten menschlichen Erfahrungen überhaupt. Die Erfahrung des heiligen ist die Erfahrung des "Unerreichbaren, das über unseren Horizont geht und uns übersteigt". Er übersetzt heilig darum auch mit: "Einmalig. Kostbar. Ganz wichtig. Unantastbar."
Im umfangreichen Alten Testament kommt der Begriff heilig relativ selten vor. Das ändert sich im Neuen Testament, es ändert sich mit Jesus Christus. Mit ihm wird die Trennung zwischen Gott und Mensch durchlässig. Symbolisch wird das deutlich im biblischen Bericht über die Kreuzigung Jesu, dort heißt es, dass in dem Moment als Jesus am Kreuz stirbt, der Vorhang des Tempels zerreißt. Das soll heißen: Die Grenze zwischen dem Vorhof und dem Heiligtum gibt es nicht mehr. Oder wie Pfarrer Dane erklärt: "Gott ist jetzt zugänglich geworden. Der ganz Andere ist unser Raum der Begegnung geworden."
Heilige sind keine "Olympiasieger in Tugend"
Weil Gott in Jesus Mensch geworden ist, kann auch der Mensch heilig werden. Das Göttliche wird für ihn berührbar. Doch was bedeutet das? Der Apostel Paulus schreibt, Gott habe die Menschen zur Heiligkeit berufen. Das bedeutet zunächst mal nicht, ein besonders tugendhaftes Leben zu führen. Die Berufung zur Heiligkeit ist vielmehr die Einladung an den Menschen, in eine Gemeinschaft mit Gott eintreten zu können. Pfarrer Dane sagt: "Der Heilige ist der Mensch, der sich zur Verfügung stellt und Gott überlässt. Und Gott macht mit ihm dann etwas Erstaunliches für die Mitwelt und die Nachwelt. Denn Gottes Heiligkeit strahlt aus auf Menschen."
Wichtig ist also: Es geht nicht um die besondere Leistung des Menschen, sondern um die Begegnung mit Gott. Sie allein heiligt, und lässt den Menschen zum Abbild Gottes werden. Der Mensch wird dann so, wie Gott ihn gedacht hat – und das bedeutet immer einen Nutzen für den Mitmenschen.
Heilig werden heißt: Ein Echo der Liebe Gottes werden
Heilige sind dann Menschen, "die Gott gepackt hat, um seine Heiligkeit menschlich erfahrbar zu machen", erklärt Pfarrer Dane und betont, dass es sich dabei nicht um "Olympiasieger in Tugend" halten muss. Die Kirche habe Menschen heiliggesprochen, die in einer bestimmten Zeit ein Vorbild gegeben hätten, „wie wir ein Echo der Liebe Gottes werden können.“
Wenn man auf die Heiligen der Kirche schaut, fällt auf, dass dies nicht ausnahmslos Menschen sind, die immer vorbildhaft waren. Entscheidend war oftmals vielmehr die Art der Gottesbeziehung, die dazu führte, dass diese Menschen Widerstand übten, dass sie am Glauben festhielten. Bei alledem wirkten sie nicht selten auf ihre Umwelt auch sonderbar.
Gerade das führte viele Heilige auch in ernsthafte Schwierigkeiten, weil sie eben nicht anders konnten, als vom Geist gepackt an der Wahrheit ihrer unsichtbaren Gotteserfahrung festhielten.
Auch die Kirche wird heilig genannt. Ihre Heiligkeit macht aus, dass Gott die Mitte der Kirche ist. Auch wenn es in dieser "manchmal allzu menschlichen Kirche" (Pfarrer Dane) eben auch jene Gläubigen gibt, die alles andere als tugendhaft leben und die sich trotz Gottesbeziehung mitunter eben doch schwer verfehlen. Oft sind es auch gerade die, die man mit Kirche in Verbindung bringt. Kann man die Kirche dann trotzdem heilig nennen?
Pfarrer Dane meint ja und vergleicht die Heiligkeit der Kirche mit einer Pfütze:
"Da ist jede Menge Dreck drin, aber wenn die Sonne aufgeht, dann spiegelt sich in dieser Pfütze die Sonne. So stark, dass man manchmal geblendet wird und die Augen schließen muss. Aber: Das ist die Heiligkeit der Kirche. Sie reflektiert den Heiligen – schlecht und recht." (Martin Korden / domradio.de)