Doch bis heute ist nicht klar, warum die Komposition überhaupt geschrieben wurde.1610 erschien sie als "Vespro della Beata Vergine" im Druck – doch weder gibt es eine gesicherte Uraufführung, noch ist sicher, wofür Monteverdi das Werk schrieb. Liturgisch passt die Komposition kaum in das Kirchenjahr - wahrscheinlich ist eher, dass die Sammlung, zu der die Marienvesper gehört, eine Art Bewerbungsmappe des Komponisten war.
Der Name „Marienvesper“ hat sich als deutsche Bezeichnung für diese Komposition eingebürgert. Teilweise wurde bestritten, dass das Werk für sich überhaupt einen Gesamtzusammenhang hat und nicht vielmehr eine Art lose Sammlung von Konzerten und Psalmen darstellt. Denn Monteverdi „springt“ sozusagen in den musikalischen Stilen hin- und her, mal gibt es expressive und virtuose Solo-Concerti, dann wieder entstehen wahre Klangkathedralen durch den Einsatz eines Doppelchores, die an frühere Zeiten erinnern.
Am Ende des 16. Jahrhunderts deutete sich ein Stilwandel an, der vor allem von Claudio Monteverdi vorangetrieben wurde. Nicht mehr der mehrstimmige Gesang nach strengen Regeln stand im Vordergrund, sondern der emotionale Ausdruck der Musik. Der Gesang wurde gestützt vom Generalbass und hatte deutlich mehr Freiheiten – das Deuten der Worte durch die Musik erlaubte Ausdrucksmöglichkeiten, die im strengen Kontrapunkt zuvor kaum möglich waren.
(Erstsendedatum: 18.10.2015, Wiederholung 09.10.2016)