Es war zweifelsfrei das brisanteste Dekret des gesamten Ersten Vatikanischen Konzils (1869/70). Mit der Verabschiedung des Dokumentes "Pastor aeternus" am 18. Juli 1870 erklärte der amtierende Papst Pius IX. die schon länger diskutierte Unfehlbarkeit des Papstes zum Dogma. Darin heißt es:
"Wenn der Römische Papst endgültig entscheidet, eine Lehre über Glauben oder Sitten sei von der ganzen Kirche festzuhalten, so besitzt er aufgrund des göttlichen Beistandes jene Unfehlbarkeit, mit der der Erlöser seine Kirche in Glaubens- und Sittenlehren ausgerüstet haben wollte."
Der Streit um die Unfehlbarkeit führte zur Abspaltung der "Altkatholiken"
Die Debatte über diese Frage hatte die Konzilsteilnehmer zuvor in zwei Lager gespalten. Doch dabei bezweifelten die Gegner des Dogmas mehrheitlich nicht mal die Richtigkeit des hier Gesagten. Die Definition der Unfehlbarkeit in einem Dogma hielten sie jedoch für politisch unklug. Und auch nach der Festlegung war die Diskussion nicht beendet. Es kam zu einer Spaltung: Die heute als Altkatholiken benannten Christen wollten das Dogma nicht anerkennen und verließen die Katholische Kirche.
Auch heute gehört die Unfehlbarkeit des Papstes für Viele zu den unverständlichsten Lehrmeinungen der Katholischen Kirche. Dabei wird hier gar nicht behauptet, dass der Papst in seinen Behauptungen und Lehren nicht irren könne. Entgegen der weit verbreiteten Annahme geht es in diesem Dogma nämlich nicht darum, dass alle Äußerungen eines Papstes unfehlbar oder irrtumslos sind. Von Unfehlbarkeit spricht die katholische Kirche nur dann, wenn der Papst in seiner Funktion als oberster Lehrer eine die ganze Kirche bindende Entscheidung trifft. Und das auch nur dann, wenn eine solche Verordnung Glaubens- oder Moralfragen betreffen. Wenn es z.B. zu Streitfragen kommen würde, die das Innerste des katholischen Glaubens bedrohen würden, müsste der Papst als letzte Instanz vor Gott eine Entscheidung treffen bei der das Unfehlbarkeitsdogma in Kraft treten könnte.
Papst ist in seiner "Unfehlbarkeit" gebunden
Wichtig ist dabei, dass eine solche Entscheidung nie in Widerspruch zur Bibel oder der Lehre und Tradition der Apostel stehen darf. Also ist auch nicht der Papst als Person unfehlbar, sondern lediglich die von ihm getroffenen Glaubensaussage, die "aus sich heraus wahr ist".
Seine Begründung hat dieses Dogma in der Bibel und in der gläubigen Überzeugung, dass der Heilige Geist die Kirche in ihrem Ringen um die Wahrheit begleiten wird. Im Neuen Testament steht geschrieben, dass Jesus Simon Petrus auswählt, um der jungen Christengemeinde vorzustehen.
"Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein." (Matthäus 16,18-19)
Die Zusage Jesu ist die Begründung für die Unfehlbarkeit
Später wird eben jener Petrus Bischof von Rom und damit der erste Papst der Kirchengeschichte. Darum kommt dem Bischof von Rom bis heute eine besondere Stellung zu. Als Nachfolger des Heiligen Petrus besitzt er weiterhin den besonderen göttlichen Beistand, so glaubt es die Kirche. Und damit begründet auch das Erste Vatikanische Konzil die Unfehlbarkeit.
Alltägliche Äußerungen, Predigten und Vorträge des Papstes können also noch keine unfehlbaren Äußerungen sein. Ebenso ist es kein Widerspruch zum Unfehlbarkeitsdogma, wenn Päpste menschliche Schwächen zeigen, sich unklug oder vielleicht sogar unmoralisch verhalten sollten. Nur wenn der Papst sich „ex cathedra“ äußert, das heißt feierlich in seiner Funktion als Inhaber des Heiligen Stuhles des Apostels Petrus, wird sein Urteil in als unfehlbar bezeichnet - und das auch nur in expliziten Glaubens- oder Moralfragen. Und das kommt sehr selten vor: Zuletzt 1950, als Papst Pius XII. das Dogma von der leiblichen Aufnahme der Gottesmutter Maria in den Himmel verkündete.