Wort des Bischofs

Schenk den Armen Dein Erbarmen!

Trotz guter Wirtschaftslage gibt es viel Armut in Deutschland. Das zeigt der erneut der aktuelle Armutsbericht. Ein Anlass für Kardinal Woelki, den Blick zu lenken auf Dieter Flick. Dieter ist dieser Tage gestorben. Arm und allein.

 (DR)

Vor wenigen Tagen ist Dieter Flick gestorben. Er wurde nur 46 Jahre alt. Man fand ihn bewusstlos in einem Parkhaus hier in Köln. Er starb wenige Tage später auf der Intensivstation des Hildegardis-Krankenhauses. Das Team des "Notel", einer Nothilfestelle für Arme und Obdachlose, hat Dieter auf seinem letzten irdischen Weg begleitet und beerdigt. Für die Helfer war Dieter kein Unbekannter. Über 25 Jahre lang haben sie versucht, ihm ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen – und doch starb Dieter am Ende arm und allein.

Warum ich Ihnen von Dieter erzähle? Ich möchte den Armen hier bei uns im Land ein Gesicht geben. Vor wenigen Tagen wurde der neue Armutsbericht vorgelegt. Er zeigt, es gibt viele – viel zu viele – arme Menschen in Deutschland. Sie leben oft ausgegrenzt und immer am Rand der Gesellschaft. 12,5 Millionen Menschen hier bei uns leben unter der Armutsgrenze. Man mag politisch über diese Grenzdefinition und die Zahl streiten, an den Tatsachen ändert das nichts: Überall gibt es den vereinsamten, verarmten Rentner, die alleinerziehende Mutter, die seit Jahren keinen Urlaub mehr hatte, oder den Arbeitslosen, der sich aus Scham nicht mehr vor die Tür traut.

Unsere Gesellschaft schaut viel zu oft weg. Wir verschließen unsere Augen nicht nur vor dem Bettler in der Einkaufszone, sondern auch vor den armen Gestalten, die oft nur ein paar Straßen weiter in unserer Nachbarschaft leben.

Daher habe ich Ihnen von Dieter erzählt. Ich möchte, dass all die Armen in unsere Mitte kommen und bei ihrem Namen genannt werden. Sie dürfen uns einfach nicht länger egal sein. Gerade uns Christen muss klar sein: Jeder, der da verarmt, verlassen und am Rande der Gesellschaft lebt, ist eigentlich unser Bruder, unsere Schwester. Es ist Jesus Christus selber!

Wir sind reich, wir leben im Wohlstand – manchmal auch im Überfluss. Aber eins dürfen wir uns nicht leisten: Wir dürfen nicht länger wegsehen! Denn in jedem Armen, den wir in den Blick nehmen, werden wir Jesus Christus selber erkennen. Also: Hinschauen – und helfen!

Ihr Rainer Woelki
Erzbischof von Köln