Die Fastenzeit dient als Vorbereitungszeit auf Ostern - Buße und Umkehr gehören dazu, außerdem wird die menschenliche Vergänglichkeit mit Blick auf Jesu Kreuzestod noch einmal deutlich - dazu passt der Anlass der Kantate. "Gottes Zeit ist die allerbeste“, so lautet der offizielle Titel und Anlass war wohl eine Beerdigung - daher auch der Beiname "Actus tragicus" – eventuell für Bachs Onkel oder den verstorbenen Bürgermeister von Mühlhausen. Dort war Bach 1707/08 für kurze Zeit als Organist angestellt. Dem Anlass entsprechend ist die Musik sehr zurückhaltend geschrieben. Die instrumentale Besetzung ist ungewöhnlich: nur zwei Blockflöten, zwei Gamben und Generalbass.
Das Grundthema der Kantate ist der Tod, der auf alle Menschen wartet. Aber es gibt die feste Hoffnung auf das Ewige Leben. So weist die Kantate eine klare Zweiteilung auf. Im ersten Teil dominiert der Gedanke, dass der Mensch nach dem alten Gesetz, dem alten Bund sterben muss: "Es ist der alte Bund, Mensch, du mußt sterben!" So zitiert Bach aus dem alttestamentlichen Buch Jesus Sirach.
Alter und Neuer Bund als Sinnbilder für Tod und Leben
Diese Aussage vertont Bach durch eine tief angelegte Fuge, die das Grab, den alten Bund versinnbildlicht. Dagegen setzt der spätere Thomaskantor die hochgesetzte Stimme der gläubigen Seele, die „Ja komm Herr Jesu“ in permanenter Wiederholung ausruft. Jesus schließt den neuen Bund und rettet in dieser Vorstellung den Menschen, der durch seine Sündhaftigkeit dem Tod geweiht ist.
Anders als bei den späteren Kantaten für die Thomaskirche in Leipzig gehen die einzelnen Abschnitte dieser frühen Kantate von Bach fast immer ineinander über. Der zweite Teil wird von der festen Überzeugung dominiert, dass Gott treu ist und den gläubigen Menschen erlöst hat. Fast schon wie ein intimes Gespräch zwischen zwei Verliebten drückt die Altstimme in ihrer Arie diese Überzeugung aus – Assoziationen an die mittelalterliche Mystik drängen sich auf.
Diese dichten musikalischen Momente, die tiefe Aussagekraft der Musik und die kompakte Deutung der Bibel- und Kirchenliedertexte durch Bachs Musik zeigen schon früh seine Genialität.
Krönender Abschluss der Kantatenform des 17. Jahrhunderts
Etwas rätselhaft ist aus heutiger Sicht die Besetzung der Sänger. Bach sieht Sopran, Alt, Tenor und Bass vor. Allerdings liegt die eine Bass-Arie sehr tief, die andere ist eigentlich zu hoch angelegt. Ob der spätere Thomaskantor das Werk für einen bestimmten Sänger mit großem Tonumfang schrieb oder zwei verschiedene Bassisten vorsah, lässt sich heute nicht mehr sagen – auch ob die vier Stimmen solistisch oder chorisch damals besetzt wurden, kann aufgrund der Quellenlage nicht entschieden werden.
Bachs frühe Kantate ist stilistisch noch nahe an der Klangwelt eines Dieterich Buxtehudes oder Nikolaus Bruhns – Anfang des 18. Jahrhunderts setzte ein Stilwechsel ein, dem sich auch Bach anschloss. Vor diesem Hintergrund wirkt diese Kantate wie der krönende Abschluss des 17. Jahrhunderts.
Das Werk erklingt am Sonntagabend in der Sendung Musica ab 20 Uhr.