Kapitelsamt im Kölner Dom

Sechster Sonntag im Jahreskreis

domradio.de übertrug am sechsten Sonntag im Jahreskreis das Kapitelsamt aus dem Kölner Dom mit Domkapitular Günter Assenmacher. Es sang der Mädchenchor am Kölner Dom unter der Leitung von Oliver Sperling.

domradio.de überträgt täglich live aus dem Kölner Dom (dpa)
domradio.de überträgt täglich live aus dem Kölner Dom / ( dpa )

Der ist ein freier Mensch, der tun kann, was er will – stimmt das? Es könnte stimmen, wenn nur die Worte den rechten Sinn hätten. Aber was heißt "wollen", und was heißt "können"? Zu bedenken ist jedenfalls auch dieser andere Satz: Frei ist nur der Mensch , der auch das zu tun vermag, was er nicht will: in anderer Sprache: der Mensch, der gehorchen kann. (aus: Schott-Messbuch)

Der Unterschied zwischen Mensch und Tier

"Wir Menschen handeln im Unterschied zu den Tieren nicht instinktgebunden. Das heißt: Auch wir kennen Impulse, aber wir müssen diesen Impulsen nicht folgen. Das unterscheide uns von den Tieren", begann Assenmacher seine Predigt.

Jeder, der Tiere habe, könne von Situationen erzählen, in denen sich diese Instinktgebundenheit zeige. Das sei oftmals gar nicht unbedingt zum Nachteil für die Tiere: "Denn während wir noch überlegen, hat das Tier schon sein Ziel erreicht."

Der Mensch kann sich entscheiden

Bei den Menschen habe hingegen die Entscheidung eine Chance, darum seien wir für unser Handeln verantwortlich:

"Auf diesen Zwischenraum, der uns Menschen zwischen Wahrnehmung und Handlung bleibt, den wir nutzen können, richtet das Evangelium heute den Blick. Die These laute: Nicht erst in der vollendeten Tat, sondern bereits im Denken, das ihr vorausgeht, entscheidet sich, wie die Sache ausgehen wird", überlegte der Domkapitular, wie schon Shakespeare gesagt hatte: "Kein Ding ist an sich gut oder böse, erst unser Denken macht es dazu."

Auch der Mensch kennt unüberlegtes Handeln

Freilich gebe es auch bei Menschen Situationen, die durch spontanes Handeln und Handeln im Affekt geprägt seien. Wenn etwa der eine den anderen schlage und ihn dadurch töte - dann habe er das so oft gar nicht gewollt.

"Viel häufiger ist indes, dass uns jemand Unrecht zufügt, oder dass mir jemand in die Quere kommt, dem ich in diesem Augenblick aber nicht gewachsen bin. Dafür aber kaue ich im Nachhinein umso mehr an dieser Situation."

Von Gedanken zu Plänen zu Taten

So entstünden Phantasien, wie man sich für diese Situation revanchieren und es dem anderen heimzahlen könne. "Indem ich mir die Situation, die mich so gekränkt und erniedrigt hat, immer wieder vor Augen führe, steigert sich in mir die Aggression." Das führe dazu, dass aus Gedanken irgendwann konkrete Pläne würden und daraus schließlich eine Tat.

Im ersten Brief des heiligen Apostels Johannes heiße es darum: "Jeder, der seinen Bruder hasst, ist ein Mörder." In ähnlichem Kontext sagte Jesus deutlich zu seinen Jüngern: "Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, der hat in seinem Herzen den Ehebruch schon begangen."

Was heißt das für uns?

Assenmacher berichtete von Beichterfahrungen, wonach viele Menschen - Jung und Alt, Verheiratete, Priester, Ordensleute sowie Laien - mit dem Freiraum, der zwischen der Ansprechbarkeit im Allgemeinen und dem Eingehgen auf diese Ansprechbarkeit bestehe, nicht fertig würden:

"Viele Menschen sind im Laufe der Zeit geradezu Sklaven bestimmter Bilder und Vorstellungen geworden. Bilder, die tagtäglich, zum Teil unaufgefordert auf uns einstürzen, die wir aber auch mit Absicht suchen und die dann unsere Phantasie besetzten und für viele Menschen eine heimliche Welt darstellen, die sie bei klarem Licht betrachtet, sehr belastet und von der sie sich ohne weiteres kaum ich befreien können."

Alle kann es treffen

Assenmacher gab zu, dass er sehr lange geglaubt habe, Verheiratete seien dagegen immun. "Aber leider sind nicht alle verheirateten Menschen glücklich.

"Gerade unser Unglücklichsein, unsere Enttäuschungen, unser Frust sind oft Wegweiser zu den Fata Morganas, einer problematischen inneren Welt, in der unser Verlangen seinen Platz hat. Dass andere Menschen nicht als Person wahrnimmt und behandelt, sondern zu Objekten macht." Daraus folge sehr schnell der Ehebruch - oder anderes, so Assenmacher. 

Einfach mal ausschalten

Assenmacher rat dringend dazu, einfach mal auszuschalten: "Jedes Gerät, über das ich mir zu Hause Bilder ansehen kann, hat einen Knopf zum An- und Ausschalten. Es gibt nichts, worüber man mit anderen Menschen, die unser Vertrauen verdienen, nicht offen sprechen könnte."

Oft sei ein solches offenes Gespräch ein erster und wichtiger Schritt, um Schlimmeres zu verhindern.

Wahrheit der Worte

"Wie steht es mit unserem Ja und unserem Nein?" fragte Assenmacher noch und verwies auf den Kommentar im dritten Kapitel des Jakobusbriefes, wo es heißt: "Wie klein kann ein Feuer sein? Einen großen Wald steckt es in Brand."

Auch unsere Zunge sei so ein Feuer: "Und die Entfernung zwischen dem, was bei uns allen so durch den Kopf geht und was wir schon auf den Lippen tragen, ist sehr kurz zu dem, was wir dann oft unbedacht und vielleicht unverantwortlich sagen."

Aber einmal gesagt, ist es in der Welt und "keiner von uns holt ein gesagtes Wort so schnell zurück; auch nicht mit heiligen Eiden."

Es geht auch anders

Zum Schluss appellierte der Domkapitular an die Entscheidungsfähigkeit des Menschen:

"Wir können auch anders, indem wir uns nicht in naiver Weise von dem, was unsere spontanen Regungen sind, zu unmittelbarem Handeln verleiten lassen, sondern diesen Freiraum zwischen Wahrnehmung und Tat, Entschluss und Handlung, nutzen, um durch Überlegung und abgewogenes Urteil, Gesinnungen in uns aufbauen." Diese würden dann sich dann festigen und so bereits den falschen Anfängen wehren. Denn: "Nicht erst in der vollendeten Tag, sondern in unserem Denken, das ihr vorausgeht, entscheidet sich, wie es ausgehen wird."


Quelle:
DR