Der Hintergrund ist ein Schicksalsschlag in der Nachbarschaft: völlig überraschend ist ein syrischer Familienvater, 45 Jahre alt, gestorben. Erst vor sieben Monaten war er zusammen mit seiner Frau seinen Söhnen gefolgt, die sich schon vor zwei Jahren vor dem Krieg in Aleppo nach hier gerettet haben. Gestern ging es ihm nicht gut, er kam ins Krankenhaus und starb.
Unsere Nachbarn, drei junge Geschwister aus Aleppo, richten das Totengebet aus. Wenn einer weiß, wie es ihren Freunden jetzt geht, dann sie: Vor vier Jahren starb ihr Vater, ein Hochschullehrer, mitten in einer Vorlesung an einem Herzinfarkt. Die Erinnerung an den Vater, der plötzliche Tod des Vaters der Freunde aus dem Flüchtlingsheim, die jungen Menschen stehen unter Schock. Gehen hektisch im Supermarkt einkaufen, was es jetzt braucht: schwarzen bitteren Kaffee z.B., der zum Totengebet gereicht wird. Ich bekomme das alles mit, als ich bei den jungen syrischen Nachbarn vorbeischaue.
Uns alle beschäftigt, wie grausam das Leben sein kann.
Der Jüngste hat seine eigenen Fragen an das Schicksal der Nachbarn: "Warum betet man, wenn jemand stirbt?" Das tun wir doch auch, frage ich zurück. "Tot ist tot. Beten muss man nur für Lebende." Der Jüngste ist Messdiener. Ich erinnere ihn an die Osternacht, erinnere an das Feiern von Jesus, der den Tod überwindet. Und dass wir bald Christi Himmelfahrt haben. Beides bräuchte es doch gar nicht, wenn mit dem Tod alles aus sei. Wer sollte denn da zum Himmel fahren?
Der Jüngste ist nicht überzeugt.
Da Jesus ihn fasziniert seit er ein kleiner Junge war, versuche ich es mit den Emmausjüngern. Die konnten auch erst glauben, dass Jesus wirklich unter ihnen war, als er das Brot mit ihnen brach. Es musste Jesus sein, unter ihnen. Wie hätte ein Fremder die Worte Jesu vom Gründonnerstag wissen können?
Die Ganzgroße nimmt den Faden auf, fügt die Geschichte vom ungläubigen Thomas hinzu. Und so antworten wir alle, jeder auf seine Art, dem Jüngsten. Der hat jetzt viel Stoff zum Nachdenken, tausend neue Fragen brechen aus ihm raus.
Ich freue mich darüber. Denke an Rilke, der einem jungen Dichter schrieb: "Leben sie Ihre Fragen. Mit Glück wachsen Sie in die Antworten hinein.“