Viele Kirchenbesucher halten an diesem Morgen bereits kleine Buchsbaumzweige in den Händen, als die Messdiener die feierliche Prozession der Bonner Seminaristen und des Domkapitels mit dem Kölner Erzbischof anführen und mit dem Palmen geschmückten Vortragekreuz in die Kölner Minoritenkirche einziehen. Andere greifen in die aufgestellten Körbe und binden sich einen kleinen Strauß aus dem grünen Gewächs zusammen – vereinzelt sogar mit einer mitgebrachten roten Schleife.
Denn festliches Rot, die symbolische Farbe für Blut, tragen heute auch alle Priester, wie es am Palmsonntag – lateinisch: Dominica in Palmis de passione Domini – liturgische Vorschrift ist.
Hosanna-Rufe als Ausdruck der Freude
Dann beginnt hier traditionell, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kölner Dom, die Feier des Palmsonntags mit der Palmenweihe und dem Evangelium, das heute vom umjubelten Einzug Jesu auf einem Esel in die Stadt Jerusalem berichtet – und von den Hosanna-Rufen, mit denen die Menschen ihre Freude über die Ankunft des Messias zum Ausdruck bringen und ihm ihre Kleider zu Füßen legen oder mit Palmzweigen winken: "Hosanna dem Sohn Davids! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe!"
"Wir sind heute das Volk in Jerusalem, begleiten Jesus durch die Straßen und singen ihm Lieder", betonte dann auch Rainer Maria Kardinal Woelki und lud alle Gläubigen, die eigens vorab in die Innenstadtkirche am Kolpingplatz gekommen waren, um sich später der von einer Blaskapelle begleiteten Prozession zum Dom anzuschließen, dazu ein, es den Christen vor 2000 Jahren gleich zu tun. Zuvor hatte er daran erinnert, dass der Palmsonntag den Beginn der Karwoche und somit des Leidens und Sterbens Jesu markiert.
Teilnehmen an seinem Kreuz – Anteilnahme an seiner Auferstehung
"In der Fastenzeit haben wir uns auf das Osterfest vorbereitet und uns bemüht, das Leben sowie unser Herz neu auszurichten und tätige Nächstenliebe zu praktizieren." Jesus sei in Jerusalem eingezogen, um Leiden und Tod auf sich zu nehmen, aber auch um von den Toten aufzuerstehen. „Mit unserem Glauben und dieser inneren Vorbereitung nehmen auch wir daher jetzt teil an seinem Kreuz, um dann ebenso Anteil an seiner Auferstehung zu haben.“
Im Zentrum der Domliturgie, die musikalisch vom Kölner Domchor unter der Leitung von Domkapellmeister Eberhard Metternich gestaltet wurde, stand dann das Passionsgeschehen nach dem Evangelisten Markus. Eindringlich schilderten Dompropst Gerd Bachner, der dem Evangelisten seine Stimme lieh, Prälat Günter Assenmacher, der den Christuspart übernahm, und Domdiakon Raimund Witte den Verrat durch Judas, das letzte Passahmahl mit den zwölf Jüngern sowie die Einsetzung des heiligen Abendmahls, die Leugnung Petri, Jesu Gebetskampf im Garten Gethsemane, seine Gefangennahme, Verurteilung und schließlich die Kreuzigung und seinen Tod.
Aufruf zur Palmsonntagskollekte
Der Aufruf der deutschen Bischöfe zur Palmsonntagskollekte – auch das ein unverzichtbares Element der Palmsonntagsmesse seit vielen Jahren – verdeutlichte, wie wichtig die Solidarität mit der christlichen Minderheit im Heiligen Land ist:
"Es darf uns nicht ruhen lassen, dass die Heimat Christi nach wie vor unter Krieg und Spannungen leidet", schreibt Kardinal Woelki für das Erzbistum Köln. "Terror, Gewalt, Hass und Misstrauen zerstören die Gesellschaften. Zahlreiche Menschen – darunter viele Christen – sehen den einzigen Ausweg darin, ihre Heimat zu verlassen. Es gibt aber auch Zeichen der Hoffnung: Nicht wenigen Christen im Heiligen Land schenkt der Glaube die Kraft, unter großem Druck und schwierigen Bedingungen auszuharren und ein lebendiges Zeugnis vom Evangelium zu geben."
Die heutigen Spenden in allen Gottesdiensten bundesweit kommen dem Deutschen Verein vom Heiligen Land und den Franziskanern dort zugute, mit denen die Verantwortlichen zahlreiche Projekte unterstützen, die für Verständigung, Versöhnung und Frieden im Nahen Osten stehen.
Karwoche als "Exerzitienwoche" nutzen
Vor dem Schlusssegen forderte Erzbischof Woelki die vielen Gläubigen im Kölner Dom dazu auf, die heute beginnende Karwoche zu einer "guten Exerzitienwoche" zu nutzen und lud dazu ein, sich "innerlich auf das größte Geheimnis unseres Glaubens einzulassen". Diese Woche biete die Chance, den eigenen Glauben – auch mit dem Empfang des Versöhnungssakramentes – zu vertiefen und zu erneuern, "damit Ostern zu einer Begegnung des Auferstandenen mit jedem von uns werden kann".
Wie dicht inhaltlich am Palmsonntag Freude und Trauer zusammenfallen, zeigte schließlich noch einmal der Gemeindegesang am Ende einer durchweg bewegenden Liturgie. Denn beherzt erklang in der bis auf den letzten Platz gefüllten Kathedrale noch einmal ein letzter Jubelruf der vielen Mitfeiernden: "Singt dem König Freudenpsalmen, Völker ebnet seine Bahn. Zion streu ihm deine Palmen, sieh, dein König naht heran."
Beatrice Tomasetti