Denn die Schülerinnen in Monschau warten darauf, dass ich endlich anfange. Anfange mit der multimedialen Präsentation der Geschichte von Jerzy Gross, dem letzten Überlebenden von Schindlers Liste in Deutschland, zu der die Schule mich eingeladen hat.
Seit Jahren erzähle ich vor großen Schüler- und Erwachsenengruppen die Geschichte, wie Jerzy Gross überleben konnte. Erzähle, dass es überall in den zwei Ghettos und den drei Konzentrationslagern Menschen gab, die den Jungen beschützten.
SS-Leute bewahrten ihn vor Deportationen, KZ Insassen versteckten ihn, als er krank war und nicht arbeiten konnte, Arbeiter aus der Umgebung steckten ihm heimlich Essen zu.
All das war gefährlich. Alle diese Menschen brauchten mehr Mut, als Angst, mussten, um die Lebensgefahr in der der Junge schwebte zu lindern, sich selbst in Gefahr bringen.
Damit ich diese Geschichte weitererzählen kann, obwohl Jerzy Gross inzwischen verstorben ist, habe ich ihn auf Video aufgenommen.
Dass diese Videos nicht unbedingt unfallfrei laufen, musste ich dann leider häufiger erleben. Viele, vor allem männliche Wesen, hatten viele gute Ratschläge. Alle probiere ich aus. Nichts hilft wirklich.
Jerzy verzerrt in ruckelnden Videos zu betrachten - daran habe ich mich deswegen fast schon gewöhnt. Weil aber wenigstens der Ton immer durchläuft, versteht jeder doch worum es geht.
Dieses Mal aber kommt es noch dicker: Die Videos ruckeln wie gehabt. Aber aus den Lautsprechern kommt kein einziger Ton. Ein medienerprobter Lehrer wird extra aus einer Klassenarbeit geholt. Auch er kann nicht helfen.
Diese Veranstaltung muss ohne Jerzy, muss ohne Videos auskommen.
Ich könnte heulen. Tage- und wochenlang haben wir an der Präsentation, in der ein Haufen großzügige Spendengelder und unendlich viel ehrenamtliche Sorgfalt stecken, gebastelt.
Die Lehrerin, die mich für die Schülerinnen in Monschau eingeladen hat, fragt nach der Veranstaltung einen Klassenkameraden, der sich auf Computer spezialisiert hat. Der Freund hat zwar so gar keine Zeit. Leistet aber dennoch Ersthilfe.
Doch der Plan geht nicht auf: im Gymnasium in Velbert, in einem Berufskolleg in Bonn – die Videos ruckeln weiter. Jetzt macht der Computerspezialist Nägel mit Köpfen. Steckt viele Stunden, sein ganzes Wissen und seine ganze Technik in die Präsentation. Winkt ab, als ich ihn nach der Rechnung frage.
In der Nähe von Olpe stehe ich erneut vor 400 Schülern. Staune erst über einwandfrei laufende Videos.
Und dann über so viel, so wunderbare Hilfsbereitschaft.