Mit dem heutigen Palmsonntag beginnt die Karwoche, die entscheidende Woche im Leben Jesu und für uns, im Leben und nachgehen auf Ostern zu. Man könnte auch sagen: Die Karwoche ist der Crashkurs in Sachen Liebe bis zum Tod des Jesus von Nazareth. Damals für ihn – und heute für uns.
Der Palmsonntag ist für mich, die ich in Heiligenstadt im thüringischen Eichsfeld geboren und in der Nähe aufgewachsen bin, ein ganz besonderer Tag. Dort gibt es seit dem 16. Jahrhundert die große Leidensprozession. Sechs überlebensgroße Figuren, die die Leidensgeschichte Jesu zeigen, werden durch die Stadt getragen. Und viele tausend Menschen gehen singend und betend mit der Prozession, und noch einmal viele Tausend stehen in den Straßen, schauen zu oder singen und beten mit.
Die eine Seite ist, dass diese Prozession, die die größte in Mitteleuropa ist, nicht über den Verstand, sondern mit allen Sinnen das Leiden Jesu für uns deutlich machen will. Die Figuren, die Lieder und Texte, die Musik, die Stille über der ganzen Stadt. Die andere Seite ist, dass in den Wechselfällen dieses kleinen Landstrichs auch das nur Mitgehen bei dieser Prozession schon eine Provokation sein konnte und geahndet wurde.
Zur Nazizeit zum Beispiel wurde sehr genau geschaut und Abiturienten, die die Fackeln neben den Figuren trugen, wurden vom Abitur ausgeschlossen. Nach dem Krieg hat der pfiffige Propst von Heiligenstadt, der wusste, dass der russische Stadtkommandant im Zivilberuf Theaterregisseur war, diesem die Prozession als Theaterinszenierung verkauft und der Kommandant war sehr angetan. Und seither war nie wieder diese Prozession infrage gestellt. Selbst bei allen Schikanen der DDR-Granden, haben sich die sturen und gläubigen Eichsfelder nie beeindrucken und einschüchtern lassen.
Auch wenn viele Menschen Nachteile in Kauf nehmen mussten, Leben als Christ und Nachfolge dieses Jesus Christus hat Folgen. Auch heute.