"Wartburg-Experiment" mit drei Schriftstellern gestartet

"Der Geist Luthers weht durch diese Gemäuer"

Im Jahr 1521 begann Martin Luther auf der Wartburg mit seiner Bibelübersetzung. 500 Jahre später gehen drei preisgekrönte Schriftsteller ebendort in eine Schreib-Klausur. Was sind die Hintergründe dieses Experiments?

Wartburg / © Astor57 (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Übersetzt ist die Bibel ja schon. Welche Aufgabe haben die Autoren bei dem Experiment?

Michael Jahnke (Leiter Kommunikation Deutsche Bibelgesellschaft): Es geht auch um eine Art Übersetzung, vielleicht nicht in einem engen Verständnis, wie wir es von Luther kennen,aus dem griechischen, hebräischen Urtext in eine deutsche Sprachfassung, sondern eine Übersetzung von Themen und Motiven aus dem Neuen Testament mit dem Mittel des literarischen Schreibens in die heutige Zeit. Es ist also auch die Aufgabe einer Übersetzung ins Hier und Jetzt.

DOMRADIO.DE: Wer sind die drei Autoren, die jetzt auf der Wartburg einziehen?

Jahnke: Wir haben die Autorin Iris Wolf gewinnen können. Sie ist eine gebürtige Rumänin, die aber schon seit vielen, vielen Jahren in Deutschland lebt. Sie schreibt Romane und ist vor allem durch ihren Roman "Die Unschärfe der Welt" aufgefallen. Dafür hat sie den Evangelischen Buchpreis gewonnen.

Weiter haben wir den Lyriker Uwe Kolbe gewinnen können. Er ist gebürtig aus der ehemaligen DDR und hat vor allen Dingen durch seinen Gedichtband "Psalmen" auf sich aufmerksam gemacht. Das liegt schon sehr nah am alttestamentlichen Text. 

Und schließlich wir haben Senthuran Varatharajah gewinnen können. Er ist in Sri Lanka geboren, aber auch in Deutschland aufgewachsen. An ihm fasziniert uns, dass er schreibt, dass er die deutsche Sprache mit Hilfe der biblischen Texte gelernt hat. Durch die biblischen Texte ist er also sprachmächtig geworden und hat zuletzt mit seinem Debütroman "Vor der Zunahme der Zeichen" für Aufmerksamkeit gesorgt.

DOMRADIO.DE: Wie wird denn der Tagesablauf dieser drei Menschen auf der Wartburg aussehen?

Jahnke: Gestern und vorgestern war es noch recht belebt. Wir haben am Dienstag mit dem Presseauftakt begonnen. Am Abend war eine erste Veranstaltung, das sogenannte literarische Dinner, wo wir uns angelehnt an Luthers Tischreden getroffen haben und zum Thema Neues Testament übersetzen und 500 Jahre Wirkungsgeschichte von Luthers Bibelübersetzung miteinander gesprochen haben.

Aber so wird der Alltag der Autoren nicht aussehen, sondern sie haben in Laufweite direkt nebenan von Luthers Schreibstube ihr Arbeitszimmer. Da werden sie sich im Verlauf des Vormittags einrichten und dann arbeiten. Ich bin nicht vertraut mit den Arbeitszeiten, wie lange die nun am Tag arbeiten. Aber da werden sie schreiben und das jeden Tag.

DOMRADIO.DE: Wie wichtig ist es, dass dieses Experiment am Originalschauplatz durchgeführt wird?

Jahnke: Es war sehr spannend, den beiden Autoren und der Autorin zuzuhören, als sie auf eine ähnliche Frage geantwortet haben. Sie haben allesamt Auskunft darüber gegeben, dass der Ort an sich schon eine Inspiration in sich trägt. Wenn man so will, weht der Geist Luthers durch diese Gemäuer. Dem kann man sich nicht entziehen.

Ob es der großartige Ausblick im Fenster ist, ob es die Bibliothek ist, die direkt nebenan liegt, ob es die Schreibstube ist, neben der man sitzt: Luther ist ja allgegenwärtig. Diese Inspiration, so haben alle drei betont, ist für sie wichtig. Und diese Inspiration haben sie in den letzten beiden Tagen zum Auftakt auch bereits verspürt.

DOMRADIO.DE: Der Aufenthalt der drei Schriftsteller wird medial begleitet. Die Ergebnisse werden auch veröffentlicht. Wie kann man denn verfolgen, was in den nächsten Tagen auf der Wartburg passiert?

Jahnke: Zum einen gibt es die Webseite www.wartburgexperiment.de. Dort sind die wesentlichen und wichtigen Fakten und Daten zu diesem Wartburg-Experiment zusammengetragen und wir betreiben intensive Kommunikationsarbeit über die Social-Media-Kanäle. Ob das Instagram oder Twitter oder Facebook ist, dort gehen wir mit den Autoren ins Gespräch, hören von ihrem Tagesablauf, von ihren Erlebnissen, von ihren Eindrücken und berichten dort darüber.

Zudem gibt es Veranstaltungen vor Ort, einen literarischen Gottesdienst im November, Lesungen im Oktober, sodass auch die Menschen lokal und regional von diesem Experiment mitbekommen können.

Das Interview führte Michelle Olion.


Luther übersetzt die Bibel auf der Wartburg, 1872, Paul Thumann (Wartburg-Stiftung Eisenach)
Quelle:
DR
Mehr zum Thema