Kölner Sozialpfarrer Meurer zeigt Kirche den Weg aus der Krise

Wie die Kirche es gebacken kriegt

Die Waffel mit Stiel hat Stil. Das ist das Prinzip Meurer. Der Kölner Sozialpfarrer findet immer Lösungen, wie es Menschen trotz Armut dennoch schön haben können. Sein neues Buch ist voll von Erfolgsrezepten.

Pfarrer Franz Meurer / © Harald Oppitz (KNA)
Pfarrer Franz Meurer / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Auf dem Buchcover ist eine Herzchen-Waffel am Stiel abgebildet. Was hat es damit auf sich?

Pfarrer Franz Meurer (Kölner Sozialpfarrer, Buchautor): Wir haben entdeckt, dass es Waffeleisen gibt, da kann man einen Stiel mit in die Waffel einbacken. Und damit wird die Waffel sozusagen königlich ausgezeichnet. Das heißt, die Kinder essen die Waffel gar nicht, weil sie so schön ist. Die nehmen die mit nach Hause, die schenken die der Oma...

Das heißt, unser Sti(e)l ist: "Wo es arm ist, darf es nicht ärmlich sein". Oder: "Wir essen das Brot, wir leben vom Glanz" (Hilde Domin).

Gerade bei uns im Stadtviertel – 26 Prozent aller Haushalte sind überschuldet, 60 Prozent der Kinder sind arm – muss es schön sein. Denn es ist ja heutzutage auch die Schönheit Gottes, die die Menschen überzeugt. Es ist schön, zu glauben. Es ist schön, Christ zu sein.

Unser Erzbischof hat, wenn man so will, das Thema des Buches gegeben. Er sagte nämlich, er habe sich vorgenommen, in der Fastenzeit mehr darüber nachzudenken, wie wir in Gemeinschaft bleiben, auch wenn wir gegensätzlicher Meinung sind. Ich möchte Menschen noch mehr zuhören.

Darum geht es im Buch. Die Menschen sind verschieden und wir müssen versuchen, als Christen diese Diversität zu leben.

DOMRADIO.DE: Den Zusammenhalt in Ihrer Gemeinde, trotz oder gerade wegen der Armut, beschreiben Sie im Buch als sehr hoch. Wie kriegen Sie und die Menschen das hin?

Meurer: Wir haben zum Beispiel mit einem super Weihbischof eine Firmung gehabt. Der Weihbischof hat die erste Videokonferenz mit den Firmanden hier bei uns gemacht. Die Katechetinnen – alles junge Frauen – haben dann abgestimmt, ob ich auch mal zuhören darf. Bei uns wird alles, was irgendwie geht, demokratisch entschieden. Ja, und dann wurde eben deutlich, dass es möglich ist heute, wenn man aufeinander hört, wenn man sagt, was man versteht, wenn zum Beispiel klar ist, die Leistungsträger*innen in den Gemeinden, sind die Frauen.

Wir haben zum Beispiel als Firmakatecheten acht junge Frauen, alle unter 30, zwei Ärztinnen, eine Lehrerin… Den kannst du nichts Blödes erzählen. Das heißt, als zum Beispiel der Weihbischof Steinhäuser versucht hat, die Stiftung Jesu, dass nur Männer Priester werden können, darzulegen, sagt natürlich eine junge Ärztin: Hören Sie mal, Herr Weihbischof, alles, was Sie sagen, ist ja okay. Aber das geht nicht. Ich bin im Vorstand unserer Stiftung, das muss man anders machen. Da sagt der Weihbischof: Okay, Versuch misslungen, versuchen wir anders ranzukommen.

Das heißt, so läuft Kommunikation, wie es unser Erzbischof ja so wunderbar ausgedrückt hat in seinem Wort zur Fastenzeit: Die Gegensätzlichkeiten, nicht nur die Verschiedenheit, auch die Gegensätzlichkeit als fruchtbar für die Kirche zu erleben. Katholisch heißt doch nicht "aut aut" (entweder oder), sondern katholisch heißt immer "et et" (sowohl als auch).

DOMRADIO.DE: Es kommen ja auch viele Ehrenamtler im Buch zu Wort. Auch ein Herr, der beschreibt, dass er eigentlich sehr mit dem Erzbistum hadert und schon längst aus der Kirche ausgetreten wäre, wenn es Ihre Gemeinde nicht gäbe. Was könnte sich das Erzbistum denn von Ihnen abgucken, um den Menschen wieder näher zu kommen?

Meurer: Das Erzbistum muss sich von mir nichts abgucken, weil die Zukunft der Kirche aus meiner Sicht sowieso in den Gemeinden liegt. Die Gemeinden müssen zurzeit die Kirche retten, denn die Menschen glauben ja. Gleich habe ich zum Beispiel die Messe. Und die Menschen, die dahin kommen, die glauben. Die wollen beten. Die sind offen für Gott. Das ist eigentlich schon alles. Junge Menschen wollen das, die Kommunionskinder, die sind so fromm, gerade jetzt in der Zeit, wo sie vorher wegen der Pandemie kaum zusammenkommen sollten. Die überholen einen.

Bischof Hämmerle hat gesagt: Ich lebe von deinem Glauben. Ich lebe vom Glauben der anderen, sagt unser Erzbischof übrigens manchmal auch. Und deswegen ist es wichtig, dass wir das auch praktisch umsetzen. Das ist eigentlich schon alles. Es muss in echt sein, wie es am vorigen Sonntag in der Lesung hieß: "Der Glaube ohne Taten ist tot". Also deutlicher als Paulus kann man es nicht ausdrücken.

DOMRADIO.DE: Sie organisieren jeden Sommer ein ganz besonderes Freizeitprogramm für Kinder aus ärmeren Familien, das "HöviLand". Aber Corona hat alles da verändert. Wir haben Sie und die Kinder denn darauf reagiert?

Meurer: Wir waren natürlich traurig. Ich selber durfte ja nie hin als 70-jährige Hochrisikoperson. Ich war also out. Das habe ich aber akzeptiert. "HöviLand" hat während der Pandemie an zehn Orten stattgefunden, statt an einem zentralen; ist nach wie vor alles ökumenisch, geht auch noch weiter. Jetzt laufen zum Beispiel gerade sieben Ausflüge mit Kindern.

Die organisieren übrigens Studenten, die bei uns unentgeltlich in angemieteten Wohnungen wohnen. Leider hat das Erzbistum ja fast alle Studentenheime verkauft. Riesenfehler. Das heißt, wir müssen die Leute nach dem Abitur auch noch binden, um es mal klar zu sagen. Praktisch heißt das, du hast eine Wohnung und dafür gibst du afrikanischen Kindern und Jugendlichen Unterricht, damit die Deutsch lernen. Das heißt, diese Anbindung an die Kirche muss auch immer ein Angebot sein dabei zu sein, das ist unser Ansatz. Das heißt, wer dabei ist, wird unterstützt.

Das Interview führte Julia Reck.

Hinweis: Pfarrer Franz Meurers Buch Waffeln, Brot und Gottes Glanz ist im Herder Verlag erschienen.


Ausschnitt des Buchcovers "Waffeln, Brot und Gottes Glanz - wie Kirche es gebacken kriegt" / © HERDER Verlag (HERDER)
Ausschnitt des Buchcovers "Waffeln, Brot und Gottes Glanz - wie Kirche es gebacken kriegt" / © HERDER Verlag ( HERDER )
Quelle:
DR
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