Die erste konkrete inhaltliche Debatte bei der Zweiten Synodalversammlung in Frankfurt hat den Graben zwischen einer konservativen Minderheit und einer reformorientierten Mehrheit unter Deutschlands Katholiken offen zutage treten lassen. Sie endete am Freitagmittag mit einem Votum für eine weitgehende Demokratisierung und mehr Kontrolle von Macht in der katholischen Kirche.
Mögliche bischöfliche Gegenstimmen?
Ein konservativer Gegenentwurf, den unter anderen der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer vorgelegt hatte, wird aufgrund des Votums nicht mehr als Alternativ-Text beraten. Unklar blieb allerdings, ob die Reformvorschläge der Synodalmehrheit auch die nötige Zweidrittelmehrheit der teilnehmenden Bischöfe fanden.
Da in einer Abstimmung 30 Stimmen gegen das Reformpapier, den sogenannten "Grundtext zu Macht und Gewaltenteilung in der Kirche" verzeichnet wurden, ist es möglich, dass in diesem geheimen Votum 23 oder mehr bischöfliche Gegenstimmen enthalten waren. Diese Zahl würde bei einer finalen Abstimmung genügen, um das Papier am Ende doch noch zu Fall zu bringen.
Vergebens versuchten mehrere Synodale, mit einer Flut von Geschäftsordnungsanträgen Klarheit über die Anzahl der bischöflichen Stimmen zu erhalten. Aber weder der Antrag auf namentliche noch der auf getrennte bischöfliche Abstimmung konnte sich durchsetzen.
Geschäftsordnung sieht getrennte Abstimmung der Bischöfe erst bei nächster Versammlung vor
Damit bleibt bis zur nächsten Synodalversammlung offen, ob der Text auch mit der nötigen Zweidrittel-Mehrheit der Bischöfe durchgeht - denn erst dann ist die getrennte bischöfliche Abstimmung vorgesehen.
Das, was die Synodalversammlung nun - vorbehaltlich eines späteren bischöflichen Vetos - beraten hat, käme für große Teile der weltweiten katholischen Kirche einer Revolution gleich.
Dies gilt umso mehr für eine mögliche aktive Beteiligung der Kirchenbasis an den Bischofswahlen. Auch das sollte am Freitag in einem "Handlungstext" beschlossen werden. Hier wollen die deutschen Reformer ein Schlupfloch im universalen Kirchenrecht nutzen. Dort heißt es im Canon 377: "Der Papst ernennt die Bischöfe frei oder bestätigt die rechtmäßig Gewählten."
In fast allen Ländern der Erde gilt nur der erste Teil dieses Satzes. In einigen wenigen Ländern, darunter Teile von Deutschland und der Schweiz, gibt es ein Wahlverfahren für Bischöfe, an dem die Mitglieder des Domkapitels mitwirken. Diese Besonderheit wollen die Reformer nun nutzen, um auch den katholischen Laien eine Mitspracherecht bei der Bischofswahl zu geben: Sie sollen an dem Wahlrecht der Domkapitel beteiligt werden.
Damit würde die Kirche letztlich Modelle der Mehrheitswahl aufgreifen, wie sie etwa in den ersten Jahrhunderten bei manchen Bischofswahlen (insbesondere in Rom) üblich waren oder bis heute im Konklave und in vielen Ordensgemeinschaften praktiziert werden. Die Befürworter der innerkirchlichen Demokratie verweisen außerdem gerne auf die Vorstands-Wahlen in den katholischen Verbänden.
Bischof Ackermann: Missbrauch auch in demokratischeren Orden
Dass aber solche Mehrheitswahlen weder den Missbrauch von Macht noch den sexuellen Missbrauch in der Vergangenheit wirksam verhindert haben, war ein kritischer Hinweis, der aus den Reihen der Bischöfe kam. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann, in Deutschland wohl einer der besten Kenner sexueller Missbrauchsfälle in der Kirche, wies darauf hin, dass es auch in den eher demokratisch strukturierten Orden zahlreiche Fälle sexuellen Missbrauchs gab.
Ein weiterer, eher pragmatischer Einwand kam vom Mainzer Bischof Peter Kohlgraf, der nachdrücklich vor Wahlkämpfen um das Bischofsamt und vor einer immer neuen Wiederwahl für Bischöfe nach weltlichem Vorbild warnte. Ebenfalls kritisch äußerte sich aus theologischen Gründen der Aachener Bischof Helmut Dieser. Fundamental gegen die Idee einer Demokratisierung der Kirchenhierarchie sprach sich unter anderem der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer aus, der Anfang September sein konservatives Alternativ-Papier veröffentlicht hatte.
Wie stark die Minderheit gegen eine Demokratisierung ist, wurde auch an Abstimmungen zu Einzelforderungen deutlich, bei den es bis zu 44 Gegenstimmen gab. Das ist weniger als ein Viertel der Synodalen, aber wenn darunter 23 Bischöfe oder Weihbischöfe waren, würde auch in diesen Punkten bei der finalen Abstimmung ein Bischofs-Veto stehen.
Reformer wie die Benediktinerin Philippa Rath forderten deshalb die Bischöfe auf, ihre Kritiken und Zweifeln offen zu benennen, damit der Dialog mit der konservativen Minderheit intensiver und fruchtbarer werden könnte. Sie lobte in dieser Hinsicht Bischof Voderholzer, der auch diesmal in Frankfurt stets mit offenem Visier und klaren Argumenten für seinen Standpunkt eintrat.