SPD, Grüne und FDP stellen Sondierungspapier vor

"Keine überzeugenden Antworten auf drängende Fragen"

SPD, Grüne und FDP streben bei den Koalitionsverhandlungen umfangreiche gesellschaftspolitische Reformen an. Am Freitag stellen sie das Sondierungspapier vor. Die Diakonie begrüßt die Ergebnisse, sieht aber noch Verbesserungsbedarf.

Pressekonferenz nach den Sondierungsgesprächen / © Kay Nietfeld (dpa)
Pressekonferenz nach den Sondierungsgesprächen / © Kay Nietfeld ( dpa )

In dem Papier, das als Grundlage für Koalitionsverhandlungen dient, heißt es: "Wir wollen unsere Rechtsordnung der gesellschaftlichen Realität anpassen. Dazu werden wir unter anderem das Staatsangehörigkeitsrecht, das Familienrecht, das Abstammungsrecht und das Transsexuellengesetz ebenso wie die Regelungen zur Reproduktionsmedizin anpassen und beispielsweise Verantwortungsgemeinschaften beziehungsweise einen Pakt für Zusammenleben möglich machen."

Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes soll laut Papier um ein Verbot der Diskriminierung wegen sexueller Identität ergänzt und der Begriff "Rasse" ersetzt werden. Das Wahlalter wollen die Ampel-Parteien auf 16 Jahre herabsetzen.

Einwanderung, Familie und "Demokratiefördergesetz"

Deutschland soll als "Einwanderungsland" ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht erhalten. Ferner streben SPD, Grüne und FDP an, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz "praktikabler" auszugestalten und ein Punktesystem "als zweite Säule zur Gewinnung von qualifizierten Fachkräften" einzuführen. Wer gut integriert ist und für eigenen Lebensunterhalt sorgen kann, soll schneller einen rechtssicheren Aufenthaltsstatus erhalten können. Ferner soll ein sogenannter Spurwechsel möglich sein.

In der Familienpolitik wollen sich die Partien auf die Kinder, die am meisten Unterstützung brauchen, konzentrieren. "Wir wollen mehr Kinder aus Armut holen", heißt es. Dazu sollen bei der Familienförderung bisherige Leistungen in einem eigenen Kindergrundsicherungsmodell gebündelt und automatisiert ausgezahlt werden. Zudem wollen die drei Parteien einen neuen Anlauf nehmen, um die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. In der Bildungspolitik soll das Bafög reformiert und elternunabhängiger gestaltet werden.

Ferner wollen SPD, Grüne und FDP "in allen Bereichen entschlossen gegen Antisemitismus, Rassismus, Rechtsextremismus, Islamismus, Linksextremismus, Queer-Feindlichkeit und jede andere Form der Menschenfeindlichkeit" vorgehen. Die öffentliche Hand sowie ihre Institutionen müssten hier Vorbild sein, dazu soll ein "Demokratiefördergesetz" verabschiedet werden.

Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisiert geplante Gesundheitspolitik

In der Gesundheitspolitik bleiben nach den Vorstellungen der Parteien gesetzliche wie private Krankenkassen erhalten. In der Sozialpolitik soll anstelle der bisherigen Grundsicherung (Hartz IV) ein Bürgergeld kommen. Die gesetzliche Rente soll gestärkt und das Mindestrenniveau von 48 Prozent gesichert werden.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte das Papier scharf. Das Thema Pflege sei der Ampel keine Zeile wert, sagte Vorstand Eugen Brysch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Und das, obwohl der demografische Wandel die Gesellschaft stark fordern werde und hohe Ausgaben und weitere Reformen absehbar seien. Auch bei der Gesundheitspolitik enthalte das Papier nur inhaltliche Allgemeinplätze.

Diakonie begrüßt Papier, sieht aber noch Verbesserungsbedarf

Die Diakonie Deutschland hat die Ergebnisse der Sondierungsgespräche von SPD, Grünen und FDP begrüßt. Das Ergebnis lasse hoffen, dass die zukünftige Regierungskoalition die Weichen für die sozial-ökologische Transformation der Gesellschaft richtig stelle, erklärte der Präsident der Diakonie, Ulrich Lilie, am Freitagabend in Berlin. Wichtige Vorschläge des Sozialverbandes fänden sich in dem am Freitag von den drei Parteien präsentierten Ergebnispapier wieder. "Dazu gehören die Einführung einer Kindergrundsicherung, die Überwindung von Hartz IV und ein Sozialstaat, der vor Armut schützt."

Deutlich sei aber auch, dass die Parteien noch keine überzeugenden Antworten auf weitere drängende Fragen gefunden hätten, sagte Lilie. Unter anderem brauche es eine Reform der Pflegeversicherung, die die Eigenanteile pflegebedürftiger Menschen begrenzt. Pflegende Angehörige müssten entlastet und der Pflegeberuf attraktiver gestaltet werden. "Die Koalitionsverhandlungen bieten nun die Chance, das Sondierungsergebnis mit Substanz zu füllen und eine politische Vision zu entwickeln, die die Zusammengehörigkeit der Gesellschaft nachhaltig fördert", sagte Lilie.

Sozialverband Deutschland fordert sozialverträgliche Energiewende

Der Präsident des Sozialverbandes Deutschland, Adolf Bauer, forderte mit Blick auf die Ergebnisse der Gespräche eine stärkere Berücksichtigung armer Menschen. Die zukünftige Bundesregierung müsse die steigenden Energiepreise für Menschen mit niedrigen Menschen auszugleichen, sagte Bauer der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag). "Die Energiewende muss sozialverträglich sein." Denkbar sei etwa eine monatliche Einmalzahlung von 100 Euro.


Ulrich Lilie / © Harald Oppitz (KNA)
Ulrich Lilie / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA , epd