Sie stehe für ein respektvolles Miteinander, so erklärte die neue Bundestagspräsidentin Bärbel Bas in ihrer Antrittsrede im Parlament. Und: "Für eine verständliche Politik. Für ein Parlament, das die Politik hinausträgt in die Gesellschaft." Am Dienstag wurde sie mit großer Mehrheit als dritte Frau in das zweithöchste Amt im Staat gewählt.
Sie folgt damit Wolfgang Schäuble nach, der nun in dieser Legislaturperiode Alterspräsident ist. Der CDU-Politiker besaß wie die meisten seiner Amtsvorgänger bereits vor der Nominierung einen hohen Bekanntheitsgrad. Das galt auch für die bisher zwei Frauen im Amt der Bundestagspräsidentin: die SPD-Politikerin Annemarie Renger (1974-78) und die CDU-Politikerin Rita Süssmuth (1988-98). Süssmuth verfolgte die Wahl von Bas auf der Zuschauertribüne des Bundestags.
Im Schatten Karl Lauterbachs
Bas ist in Partei und Parlament dennoch keine Unbekannte; in der auslaufenden Legislatur war sie stellvertretende Fraktionsvorsitzende für die Bereiche Gesundheit, Bildung und Forschung. Allerdings stand sie als gesundheitspolitische Sprecherin im Schatten des medienwirksamen Parteikollegen Karl Lauterbach, der gleichsam als Corona-Sprecher fast omnipräsent auftrat.
Der sachlich-geerdete Ton, mit dem sie bisher im Bundestag auftrat, könnte von Vorteil sein, wenn es im Parlament wieder hitzig wird. Und das verspricht nicht nur das Auftreten mancher AfD-Abgeordneter, sondern auch umstrittene Gesetzesvorhaben der Ampel-Regierung – sofern sich SPD, Grüne und FDP auf eine Koalition einigen.
Religion? Keine Angabe.
Die 53-Jährige, die im Handbuch des Bundestags keine Angaben zu ihrer Religionszugehörigkeit macht, gehört seit 2009 dem Parlament an. Von 2013 bis 2019 war sie eine der Parlamentarischen Geschäftsführerinnen. Bei den jüngsten Wahlen verteidigte sie zum vierten Mal ihr Direktmandat im Wahlkreis Duisburg I mit über 40 Prozent und damit erneut mit einem Ergebnis, das deutlich über dem der Partei lag.
Das politische Handwerk erlernte Bas im Ruhrpott als Kommunalpolitikerin. Von 1994 bis 2002 war sie im Stadtrat. Mit 20 Jahren trat sie in die SPD ein und schloss sich den Jusos an. Neben dem "Herzensthema" Gesundheitspolitik, bei dem sie sich besonders um die Pflege kümmert, gilt ihr Engagement der Renten-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik.
Hauptschülerin, Abteilungsleiterin, Krimifan, Witwe
Im Bundestag votierte sie für ein Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe und bei der Organspendereform für die Widerspruchslösung.
Sie trat für die Stärkung des Menschenrechts auf Religionsfreiheit ein und gegen die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen. Sie ist Mitglied im Stiftungsrat der Stiftung "Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen" ihrer Stadt und hat die Schirmherrschaft für das Malteser Hospiz St. Raphael in Duisburg inne.
Geboren wurde Bas am 3. Mai 1968 im heutigen Duisburger Stadtteil Walsum. Sie wuchs mit fünf Geschwistern auf. Nach einem Hauptschulabschluss arbeitete sich Bas von der Bürogehilfin und Sachbearbeiterin bei der Duisburger Verkehrsgesellschaft über Aus- und Fortbildungen einschließlich Fachstudium zur Sozialversicherungsangestellten, Krankenkassenbetriebswirtin und Personalmanagerin hoch, bis sie zuletzt Abteilungsleiterin einer Betriebskrankenkasse war. Sie gilt als Krimifan und feiert gerne Karneval. Kürzlich traf sie ein schwerer Schicksalsschlag: Im vergangenen Jahr starb ihr Mann Siegfried Ambrosius, der ebenfalls SPD-Mitglied war.
Als große und strittige Themen, mit denen sich der Bundestag beschäftigen müsse, nannte Bas in ihrer Antrittsrede den Klimawandel, besonders der Umbau der Wirtschaft mit dem Ziel, Klimaneutralität zu erreichen. Zudem müsse sich das Parlament mit den Themen Asyl und Migration, Digitalisierung von Staat und Verwaltung sowie den Aufbruch in eine inklusive Gesellschaft beschäftigen. Weiter gelte es, die Pandemie und deren Folgen im Blick zu halten. Mit Blick auf den zahlenmäßig bislang größten Bundestag forderte sie die Fraktionen zudem auf, sich zügig an eine Wahlrechtsreform zu machen.