Dom zu Speyer 40 Jahre Weltkulturerbe

Ausgezeichnete "erhabene Schlichtheit"

Vor 40 Jahren wurde der Speyerer Dom zum Weltkulturerbe ernannt. Damals spielte das tourismusfördernde Label noch keine so große Rolle. Seitdem ist jedoch viel passiert. Bei der Unesco in Paris und in der Pfalz.

Autor/in:
Michael Jacquemain
Blick auf den Kaiserdom in Speyer / © Sina Ettmer Photography (shutterstock)
Blick auf den Kaiserdom in Speyer / © Sina Ettmer Photography ( shutterstock )

Die Entscheidung fiel weit weg, am anderen Ende der Welt. Auf einer Sitzung der Unesco im australischen Sydney fand am 30. Oktober 1981, also vor 40 Jahren, der Speyerer Dom als erstes deutsches Objekt nach dem Aachener Dom Aufnahme in die Liste des Weltkulturerbes. Und dann passierte: nichts.

Kein Wunder, denn vor vier Jahrzehnten spielte das tourismusfördernde Label so gut wie keine Rolle; weder Stadt noch Domkapitel hatten sich bei der Unesco in Paris um eine Aufnahme beworben. Erst fünf Jahre später, 1986, und auch nur auf schriftliche Nachfrage erhielt das Bistum eine offizielle Bestätigung. Künftig, versprach die Unesco, wolle man die Besitzer der Welterbestätten "unverzüglich" über eine Aufnahme unterrichten.

Das Verfahren lief damals anders

Begonnen hatte alles 1978, als ein Dutzend Orte den Welterbetitel zuerkannt bekam - acht Kultur- und vier Naturerbestätten, darunter die Galapagos-Inseln, der Yellowstone-Park und das historische Zentrum von Krakau. Managementpläne, wie sie vor dem inzwischen vielstufigen nationalen und internationalen Auswahlverfahren Welterbe-Bewerber heute vorlegen müssen, gab es damals nicht.

Für die Titelverleihung an den salischen Kaiserdom sprach, dass er aus Sicht der Unesco "historisch, künstlerisch und architektonisch eines der bedeutendsten Beispiele romanischer Architektur in Europa" ist. Die seit der Zerstörung der Abtei von Cluny Ende des 18. Jahrhunderts größte romanische Kirche der Welt beherbergt die Gräber von acht Kaisern und Königen und gilt deshalb auch als Symbol des mittelalterlichen Kaisertums schlechthin.

Tourismus bringt Geld ein, macht aber auch Arbeit

Die Domkirche Sankt Maria und Sankt Stephan, wie die Kathedrale offiziell heißt, ist bis heute Bischofskirche der Pfalz - und mit jährlich rund einer Million Besuchern ein wichtiger Tourismusmagnet. Wovon die Kathedrale, so sagt es das Domkapitel, wenig hat - außer einer ganzen Menge Arbeit.

Streng geregelt in Gesetzen auf Bundes- und Landesebene und in regelmäßigem Kontakt zum Internationalen Rat für Denkmalpflege der Unesco (ICOMOS) muss der Kaiserdom kontinuierlich instandgehalten werden, um ihn als Kirche und Denkmal zu bewahren. Was bei einem knapp 1.000 Jahre alten Gebäude weder einfach noch billig ist.

Es gibt immer etwas zu tun

Permanent wird am Dom gearbeitet - vom Reinigen der Dachrinne bis zur Pflege der Außenanlagen. Und immer wieder gibt es mehr oder minder große Sanierungen. Aktuell geht es um die Vierungskuppel. Rund eine Million Euro kostet das jährlich im Schnitt.

Bei substanzerhaltenden Maßnahmen trägt das Land Rheinland-Pfalz 40 Prozent. Weitere Mittel kommen vom örtlichen Dombauverein, der von Ex-Kanzler Helmut Kohl (1930-2017) gegründeten Europäischen Stiftung Kaiserdom zu Speyer, aber auch vom Bund und weiteren Stiftungen. Organisation und Verwaltung einschließlich Kulturmanagement und PR für den Dom wurden in den vergangenen Jahrzehnten professionalisiert.

Was ist das "Erbe der Menschheit"?

Verändert hat sich mit der Zeit das Verständnis dessen, was das von der Unesco geschützte "Erbe der Menschheit" bedeutet. Früher, sagt Manuel Peters vom Unesco-Lehrstuhl an der Uni Cottbus-Senftenberg, war das Kulturverständnis stark westlich bestimmt - historisch, archäologisch und naturwissenschaftlich. Es herrschte - und herrscht - ein großes Ungleichgewicht zugunsten der Industrieländer.

Heute soll es ausgewogener zugehen - zum Beispiel auch durch das immaterielle Welterbe, das seit knapp zwei Jahrzehnten aufgelistet wird und zu dem etwa Musik, Bräuche, Feste, Handwerkskünste und Wissen gehören. Ein Begriff von kulturellem Erbe, der beispielsweise stärker auf asiatisches Verständnis zurückgreift.

"Gut geschützt" ist wichtiger als "gut besucht"

Gesehen wird in Paris zunehmend, dass die durch das Label beförderte Ökonomisierung von Kultur schwierig ist. "Gut besucht", sagt Peters, sei heute weniger entscheidend; wichtiger sei "gut geschützt". Bei einigen Naturerbestätten sei viel Tourismus inzwischen nicht mehr erwünscht.

Wie stark der informelle Einfluss der Unesco durch die Erfolgsgeschichte gestiegen ist, zeigte der Streit über die Waldschlösschen-Brücke in Dresden. Der Bau der Elbe-Überquerung führte 2009 zur Aberkennung des Titels für die Kulturlandschaft Dresdner Elbtal. Bislang verschwanden allerdings erst drei Stätten von der Liste, die heute 1.154 Stätten in 167 Ländern umfasst.

Nachhaltige Entwicklung wird wichtiger

Schon die Androhung aus Paris, ein Erbe sei gefährdet, führt heute meist zu hektischen Reaktionen. "Das Interesse von Regierungen an einer Listung ist immer größer geworden. Weil es die Relevanz des Staatensystems erhöht und weil es mit internationaler Anerkennung einschließlich Tourismus verbunden ist", so Peters.

Auch wenn die Frage nach den Nutznießern der Auszeichnung bis heute schwer zu beantworten ist, sicher ist: Immer wichtiger für die Unesco wird die nachhaltige Entwicklung einer Welterbestätte und die Einbeziehung der Menschen vor Ort. Dann kann - wie beim Speyerer Dom - auch "erhabene Schlichtheit" weltkulturerbewürdig sein.


Quelle:
KNA