"Auch beim Gottesdienst, beim Singen und Beten sowie beim Kommunionempfang kann eine Infektion erfolgen", schreibt Kohlgraf in der Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben". Viren könnten "auch im religiösen Zusammenhang ihre unheilvollen Wirkungen entfalten".
Antwort auf "kritische Anfragen"
Es sei ihm "fast peinlich", dies eigens betonen zu müssen, so Kohlgraf unter Bezug auf "kritische Anfragen" zu den Corona-Regelungen. Die Einwände lauteten: Jesus hätte sich zugunsten der Menschen über Hygienevorschriften hinweggesetzt; zudem gebe der Glaube doch die Sicherheit, dass Gott eine Ansteckung im Rahmen religiöser Aktivitäten verhindern würde.
Kohlgraf widersprach: "Die Bibel kennt Quarantäne, Schutzmaßnahmen und Gottesdienstordnungen, und sie sieht darin keinen Widerspruch zum Glauben an einen allmächtigen Gott." Der hebele die natürlichen Vorgänge der Schöpfung nicht willkürlich aus. Kohlgraf: "Die Auffassung, Wunder seien dadurch definiert, dass sie Naturgesetze aushebelten, ist auch lehramtlich nicht (mehr) die leitende Auffassung."
Jesus "stellt die alttestamentlichen Hygienevorschriften nicht in Frage"
Als Sohn Gottes und Heiland berühre Jesus Kranke und heile sie, "aber er stellt die alttestamentlichen Hygienevorschriften nicht in Frage", so Kohlgraf. "Als er zehn Aussätzige gesundmacht, fordert er sogar von ihnen, sich den Priestern zu zeigen, um die kultische Reinheit zu bestätigen." Jesus sei offenbar daran gelegen, bei aller heilenden Kraft die kultische Hygieneordnung nicht zu durchbrechen.
Kohlgraf hält es für problematisch, beim Thema Corona wie in anderen Bereichen "die eigene Meinung mit der Behauptung zu begründen, Jesus hätte das auch so gemacht". Viele aktuelle Fragen hätten sich Jesus nicht gestellt, "und wir werden keine direkte Antwort von ihm bekommen". Beim Umgang mit dem Schutz der Gemeinschaft vor Ansteckung und Krankheit scheine die Linie Jesu jedoch eindeutig zu sein: "Geistlichen Eigennutz hätte er auf Kosten anderer nicht für gut befunden."