KNA: Sie sprechen im Buch von einem neuen "kritischen Mannsein" in der katholischen Kirche. Was meinen Sie damit?
Pfarrer Burkhard Hose (Theologe, Buchautor und Würzburger Hochschulpfarrer): Der Begriff "kritisches Mannsein" ist angelehnt an das "kritische Weißsein" (Critical Whiteness) der Anti-Rassismusbewegung. Dort geht es um die Auseinandersetzung weißer Menschen mit den eigenen Privilegien.
Wenn sie sich ihrer eigenen Bevorzugung bewusstwerden, können sie sich zu wichtigen Verbündeten derer entwickeln, die benachteiligt werden und von Diskriminierung betroffen sind. Ich treffe auf immer mehr Männer in der katholischen Kirche, auch Amtsträger, die nicht länger "Gefangene" zugeschriebener Privilegien sein wollen. Sie wollen, dass sich veraltete patriarchale Rollenbilder ändern.
KNA: Sind dies Einzelfälle oder verändert sich da gerade etwas Fundamentales in der Kirche?
Hose: Mein Eindruck ist, dass dies keine Einzelfälle mehr sind. Immer mehr Priester wollen nicht mehr "Hochwürden" oder "heilige Männer" sein. Sie wollen, dass sich etwas für die Frauen in der Kirche ändert, aber auch für die Männer. Mehr Geschlechtergerechtigkeit bedeutet für sie eben auch die persönliche Befreiung von einem überhöhten Amtsverständnis, von Klerikalismus und Männerbünden.
KNA: Im Buch ist die Rede von einer "amputierten Kirche" - weil Frauen in wichtigen Positionen fehlen. Wie lange kann eine "amputierte" Kirche weiterlaufen, bevor sie umfällt?
Hose: Sie fällt ja bereits. Wir erleben sozusagen live und in Farbe, wie die Gestalt einer Kirche, die auf männlicher Dominanz aufbaut, zusammenbricht. Und ich erlebe eben nicht nur Frauen, sondern zunehmend auch Männer, die erkennen: Eine Kirche, die weiterhin um die immer weniger werdenden Priester-Männer herum konstruiert wird, ist ungerecht und damit unglaubwürdig, sie ist aus der Zeit gefallen und damit irrelevant.
KNA: Wie dramatisch ist die Lage der katholischen Kirche, wenn man auf den grassierenden Priestermangel und die Auswirkungen des Missbrauchsskandals an so vielen Orten blickt?
Hose: Manche sprechen inzwischen von einer "Implosion" der katholischen Kirche in ihrer bisherigen Gestalt. Viele haben das Gefühl, sich andauernd rechtfertigen zu müssen, wenn sie sich in dieser Kirche noch engagieren oder in ihr arbeiten. Auch ältere Menschen mit einer tiefen Beheimatung im Glauben schämen sich für ihre Kirche. Welcher junge Mensch will noch für eine solche Kirche arbeiten.
Gleichzeitig sind der Glaube und die Spiritualität nach wie vor für viele Menschen wichtig, auch für junge Menschen. Wenn es gut geht, können sie ihren Glauben noch in einer funktionierenden Ortsgemeinde oder an "Anders-Orten", zum Beispiel Klöstern, leben. Aber sie identifizieren sich nicht mehr mit der Großkirche. Mich treibt vor allem um, dass der Blick auf die gesellschaftliche Relevanz der Botschaft Jesu durch die gegenwärtige Gestalt der Kirche verstellt wird.
KNA: Könnten Teilkirchen der katholischen Weltkirche in unterschiedlichen Tempi bei der Zulassung von Frauen zu Weiheämtern vorangehen?
Hose: Ein Blick in das Neue Testament relativiert den Anspruch einer vereinheitlichten Kirche, in der alle Strukturen zentral und für alle gleichermaßen verbindlich geregelt sein müssen. Es gab immer verschiedene Traditionen.
In der frühen Kirche gab es gleichzeitig an verschiedenen Orten unterschiedliche Modelle von Leitung, von Ämtern und von der Rolle, die Frauen und Männer in christlichen Gemeinden einnahmen. Das Argument "Weltkirche" taugt also nicht als Bremse und schon gar nicht als Begründung für anhaltende Ungerechtigkeit und Diskriminierung. Wer allzu schnell "Spaltung" ruft, fürchtet häufig nur Veränderung oder Vielfalt.
KNA: Was wollen Sie mit dem Buch "Frauen ins Amt!" erreichen?
Hose: Das Buch will mit der immer noch verbreiteten Vorstellung aufräumen, das Eintreten für Geschlechtergerechtigkeit und gegen Diskriminierung sei nur Angelegenheit der Frauen, die direkt davon betroffen sind. Im besten Fall unterwandert das Buch noch bestehende Männerbünde und sorgt stattdessen für mehr Solidarität unter den Geschlechtern.
Das Interview führte Norbert Demuth.