Gemeinde zieht Fazit nach drei Wochen ohne Sonntagsmessen

"Das war ein Gottesdienst"

Drei Wochen lang sind in der Aschaffenburger Gemeinde Maria Geburt die Sonntagsmessen ausgefallen, stattdessen sind Betroffene sexualisierter Gewalt zu Wort gekommen. Welches Fazit zieht die Gemeinde?

Mann in einer Kirchenbank / © Stokkete (shutterstock)

DOMRADIO.DE: An drei Sonntagen haben Sie den Gottesdienst ausfallen lassen, viele Medien haben über Ihre Protestaktionen berichtet. Was für Reaktionen haben Sie auf Ihre Aktion bekommen?

Markus Krauth (Pfarrer der Gemeinde St. Maria Geburt in Aschaffenburg): Die Reaktionen waren zu 90 Prozent positiv. Von E-Mails und Telefonaten und von denen, die hier mitgewirkt haben, waren sie eigentlich nur positiv. Die Betroffenen waren begeistert, dass sie mal in einem Kirchenraum was sagen konnten, was sie sonst nie haben sagen können. Einige haben sich zum ersten Mal geoutet und am Ende der drei Veranstaltungen gab es einen riesigen Applaus, was gezeigt hat, dass unsere Erwartungen bei Weitem übertroffen worden sind. Die Betroffenen vor allen Dingen und auch die Gemeindewaren sehr zufrieden und glücklich, dass es so gut gelaufen ist.

DOMRADIO.DE: Sie sagen, Betroffene konnten sich an den jeweiligen Sonntagen zu Wort melden, ihre Gedanken und ihr Leid teilen. Was ist Ihnen da besonders in Erinnerung geblieben?

Krauth: In Erinnerung geblieben ist mir zum Beispiel eine Frau, die bebend vor dem Mikrofon gestanden und fast jedes Wort aus ihrem Körper heraus "gebebt" hat. Sie war so sehr involviert in ihr Trauma und hat zum Beispiel den Satz gesagt: "Dieser Missbrauch ist Seelenmord an Kindern." Und deswegen wollte sie sich dafür einsetzen, dass die Verjährung aufgehoben wird – wie bei Mord ja auch Verjährung nicht stattfindet – dass auch bei einem psychischen Mord Verjährung aufgehoben wird. Das war ihr großes Anliegen.

DOMRADIO.DE: Sie hatten ja auch einen offenen Brief an Bischof Franz-Josef Jung in Würzburg geschrieben. Was für Rückmeldungen gab es da aus der Richtung?

Krauth: Aus Würzburg gab es nur eine Stellungnahme, ansonsten keine Rückmeldung.

DOMRADIO.DE: Hätten Sie sich mehr Reaktionen aus dieser Richtung gewünscht?

Krauth: Ich bin gewohnt, dass da normalerweise nichts kommt.

DOMRADIO.DE: In dem aktuellen Newsletter der Gemeinde schreiben Sie, dass es sich bei Versammlungen an den drei Sonntagen um eine liturgielose Liturgie gehandelt hat. Was sagt das über die Stimmung bei den Versammlungen aus?

Krauth: Die Stimmung war so dicht und so geistgetragen, dass einmal die Betroffenen den Mut hatten, sich zu Wort zu melden. Und zum anderen war die Gemeinde so präsent, dass am Ende alle gesagt haben: Das war ein Gottesdienst. Wir hatten keine liturgischen Elemente, wie man es vom Gottesdienst kennt, mit Kreuzzeichen, Gebet und Bibellesen und so weiter. Nur die Struktur war da. Hören. Hören auf die Betroffenen, aus dem Gutachten [aus dem Erzbistum München und Freising, Anm. d. Red.] haben wir auch vorgelesen.

Dann gab es eine Schweigephase, sehr schön eingeführt und am Ende einen Aufruf zur Spende. Und dann war eine Pause und dann konnten die Betroffenen ans Mikrofon gehen und sich aussprechen. Und danach gab es noch mal ein Gespräch im Gemeindehaus für die Betroffenen in der kleineren Runde.

DOMRADIO.DE: Wie denken Sie selbst rückblickend auf die Akte über die Aktion? Hat es sich gelohnt?

Krauth: Auf alle Fälle. Wir hätten ja nie gedacht, dass es so ein Echo bekommt und dass Betroffene so offen sind und sich daran beteiligen. Es war ein ganz beeindruckendes Geschehen.

DOMRADIO.DE: An drei Sonntagen sind jetzt also die Gottesdienste in Maria Geburt ausgefallen. Wie soll es jetzt weitergehen? Wie wollen Sie in Zukunft weiter für Betroffene da sein?

Krauth: Zunächst einmal lassen wir es jetzt ausklingen. Ich bin jetzt drei Wochen lang intensiv mit dem Thema beschäftigt und bin froh, dass ich mich jetzt auch wieder anderen Dingen zuwenden kann. Dass wir jetzt erstmal Pause machen und das dann mit einem gewissen Abstand reflektieren wollen. Was dann kommt, das steht noch in den Sternen. Wir sind mit den Betroffenen in Kontakt. Die waren sehr zufrieden damit, wie wir das gemacht haben und haben uns auch keinen dringenden Wunsch geäußert, dass wir jetzt sofort irgendwas tun sollten. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, aber das ist jetzt alles noch nicht ausgegoren.

Das Interview führte Julia Reck.

Quelle:
DR