Erneute Kritik an Kreuz auf Berliner Humboldtforum

Muss das Kreuz wieder runter?

Auf dem Humboldt-Forum leuchtet eine goldene Kuppel mit Kreuz und Inschrift. Kritik daran äußerte jüngst die Grünen-Politikerin Claudia Roth. Nimmt nun eine längst abgeebbte Debatte langsam wieder Fahrt auf?

Die Kuppel mit dem Kreuz auf dem Humboldt-Forum / © Westlight (shutterstock)
Die Kuppel mit dem Kreuz auf dem Humboldt-Forum / © Westlight ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Das Kreuz auf dem Humboldtforum und Weltoffenheit - sind das für Sie Gegensätze?

Dr. Bertold Höcker (Evangelischer Superintendent des Kirchenkreises Berlin Stadtmitte): Nein, auf gar keinen Fall. Denn für mich steht das Kreuz für Weltoffenheit, Toleranz, Nächstenliebe und Offenheit. Das ist ja das, was das Berliner Schloss Humboldtforum für sich auch beansprucht.

DOMRADIO.DE: Claudia Roth sagt, Kreuz und Kuppelinschrift stünden dem Bekenntnis nach großer Weltoffenheit entgegen. Können Sie die Kritik nachvollziehen?

Die Kuppel wird auf das Humboldt-Forum gesetzt / © laranik (shutterstock)
Die Kuppel wird auf das Humboldt-Forum gesetzt / © laranik ( shutterstock )

Höcker: Ich kann die Kritik von Claudia Roth nachvollziehen, aber ich glaube, sie unterliegt, besonders was das Kreuz angeht, einem Missverständnis. Denn sowohl der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime als auch der Vorsitzende der Liberalen Rabbinerkonferenz stören sich nicht an dem Kreuz, sondern sie stören sich an dem Kuppelspruch.

Darüber kann man ja wirklich diskutieren. Offen ist auch, ob nun das Kreuz hier ein religiöses Symbol oder Bauzier ist. Wer will das entscheiden?

DOMRADIO.DE: Es gibt ja diejenigen, die sagen, dass das Humboldt-Forum ein Museum ist, da brauchen wir kein Kreuz. Das sind dann wohl diejenigen, die es als Symbol des Glaubens sehen.

Höcker: Ja, natürlich kann man das so sehen. Ich ärgere mich aber zum Beispiel jeden Tag, wenn ich am Berliner Schloss Humboldt-Forum vorbeifahre, dass unter jedem Fenstersims eine Königskrone ist. Als überzeugter Demokrat finde ich das auch ganz furchtbar, dass da die ganze Fassade voller Königskronen ist und das in der Mitte der Hauptstadt

DOMRADIO.DE: Über die umstrittene Inschrift kann man sich eher aufregen als über das Kreuz, sagen Sie. Was steht denn da drauf?

Höcker: Das ist eine Inschrift, die Friedrich Wilhelm IV. selbst aus mehreren Bibelstellen zusammengestellt hat. Da steht drauf: "Es ist kein ander Heil, es ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn der Name Jesu, zu Ehren des Vaters, daß im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind".

DOMRADIO.DE: Wie verstehen Sie diese Inschrift?

Höcker: Ich verstehe Sie erst mal als Protestant, wie sie zusammengesetzt ist. Und zwar sind das Zitate aus der Apostelgeschichte und aus dem Philipperbrief. Beides sind umstürzlerische Zitate gegen die Diktatur der damaligen Zeit der römischen Kaiser. Eine kleine verbotene Sekte hat damit den Herrschaftsanspruch der Herrschenden kritisiert und infrage gestellt und dazu die Herrschaft der Liebe, also die Unterwerfung unter Jesus Christus, in die Bibel reingeschrieben. So verstehe ich das mit. Natürlich hat Friedrich Wilhelm IV. das anders verstanden.

DOMRADIO.DE: Was genau stört Claudia Roth daran?

Höcker: Das weiß ich nicht. Das hat sie auch nicht gesagt. Ich kenne nur das Tagesspiegel-Interview von ihr. Da bezieht sie sich natürlich auf die Intention, die Friedrich Wilhelm IV. mit der Zusammenstellung des Spruches hatte, weil er ja noch ein Verständnis des Gottesgnadentums seiner Herrschaft hatte. Aber das war schon zu seiner Zeit völlig aus der Zeit gefallen.

Das wieder aufgebaute Berliner Schloss / © Plam Petrov (shutterstock)
Das wieder aufgebaute Berliner Schloss / © Plam Petrov ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Was, glauben Sie, wird die Kritik von Kulturstaatsministerin Roth bewirken? Muss das Kreuz wieder runter oder die Inschrift?

Höcker: Ich glaube nicht, dass das Kreuz wieder runter muss. Wir müssen uns mehr mit der klaren Deutung der Inschrift befassen. Das ganze Humboldt-Forum ist ja ein einziger Widerspruch in sich. Auf der einen Seite ist es nach Außen das fast vollständig rekonstruierte Stadtschloss der Hohenzollern, auf der anderen Seite ist es innen ein Museum, das hauptsächlich der kolonialen Vergangenheit dient und ihrer Aufarbeitung und der gesellschaftlichen Debatte, die dazugehört.

Von daher werden wir mit diesem Widerspruch leben müssen und können das anhand des Spruches und des Kreuzes auf der Kuppel ganz wunderbar diskutieren. Ich finde, wir haben hier einen konstruktiven Konflikt, mit dem wir eine wunderbare Debatte anstoßen können.

DOMRADIO.DE: Glauben Sie, dass diese Debatte auch glatt laufen wird oder sind die zwei Lager zu extrem?

Höcker: Das weiß ich nicht. Unter Demokratinnen und Demokraten sollten doch die Debatten nicht aus dem Ruder laufen. Ich halte von konstruktiven Konflikten sehr viel, weil man dann immer am Ende, glaube ich, zu einer guten Lösung für alle Seiten kommt.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Quelle:
DR