Religionsgemeinschaften seien eine moralische Autorität und könnten das Verhalten der Menschen positiv beeinflussen und verändern, sagte der Moraltheologe Rene Micallef am Samstag auf der internationalen Konferenz an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Religionsgemeinschaften könnten auch Sorgen und Probleme benennen, wenn dies für andere Gruppen schwierig sei. Zugleich warnte Micallef, der an der Gregoriana lehrt, vor einer Instrumentalisierung von Religionen durch einzelne politische oder gesellschaftliche Gruppen.
"Oft kulturell bedingte Probleme"
Der für das Thema zuständige UN-Sonderberichterstatter Tomoya Obokata hatte am Freitag berichtet, dass die Pandemie moderne Sklaverei einerseits eingedämmt, andererseits aber zu neuen, versteckten Formen von Abhängigkeit geführt habe. Laut Obokata verbieten zwar fast alle Regierungen Sklaverei, "aber mitunter gebe es zusätzliche, oft kulturell bedingte Probleme".
Besonders positiv bewertete der UN Vertreter das Engagement der jüngeren Generationen. Diese hätten "mehr Interesse an der Verteidigung von Menschenrechten"; auch gebe es etliche Wirtschaftsunternehmen, die "das Thema ernster nehmen". Technologische Fortschritte und Mittel ermöglichten es zusätzlich, Fälle von Sklaverei zu identifizieren.
Die Abschaffung von Sklaverei, Menschenhandel und Zwangsarbeit stellt nach Aussage des Rektors der Gregoriana, Nuno da Silva Goncalves, eine moralische Aufgabe dar, die "dringende gemeinsame Antworten erfordert". Die Geschichte der Kirche weise zur Sklaverei zwar selber Schatten- wie Lichtseiten auf. Angesichts von wirtschaftlichen Interessen und dem "unvorstellbaren Ausmaß" des Problems sei "mutiges und gemeinsames Engagement von Staaten, internationalen Organisationen, Religionen, Zivilgesellschaft und einzelnen Bürgern" gefordert.
40 Millionen Menschen arbeiten unter Zwang
Schätzungen zufolge arbeiten weltweit etwa 40 Millionen Menschen unter Zwang und ausbeuterischen Verhältnissen in der Prostitution, in der Lebensmittel- und Bekleidungsindustrie, im Bauwesen, in der Pflege und Betreuung. Besonders hoch ist die Zahl in Asien und im pazifischen Raum sowie in Afrika. Jedes vierte Opfer von Menschenhandel ist diversen Schätzungen zufolge ein Kind, viele werden Opfer von Organhandel.
Bei der Konferenz, die bis Samstag dauert, sollen Fachleute aus Wissenschaft und Praxis sowie Religionsvertreter über neue Wege beraten, wie gegen Sklaverei, Menschenhandel und Zwangsarbeit vorzugehen ist. Wichtig sei vor allem eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit zu dem Thema.
Papst verlangt Engagement gegen Menschenhandel
Nach der Bestandsaufnahme am Freitag widmet sich der Samstag konkret dem Kampf gegen moderner Sklaverei und der Rolle von Religion und Glauben bei diesem. In verschiedenen Sprachgruppen sollen Vorschläge dazu erarbeitet werden.
Bereits vor sechs Jahren hatte Papst Franziskus in einer Erklärung mehr Engagement gegen Menschenhandel verlangt. Zwangsarbeit, Prostitution und Organhandel sollten als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" verfolgt werden. Der Papst forderte dabei auch, dass die Opfer nicht als illegal eingereiste Migranten behandelt werden dürften.