DOMRADIO.DE: Kommen auch bei Ihren Besuchen bei älteren Menschen jetzt häufiger Kriegserlebnisse zur Sprache?
Peter Bromkamp (Diözesanreferent für die Altenseelsorge im Erzbistum Köln): Vieles an schlechten und angstvollen Erinnerungen kommt wieder hoch. Gerade bei den Menschen, die über 80 Jahre alt sind und den Krieg häufig als Kind oder als junger Mensch noch erlebt haben. Vieles, was vergessen schien, kommt wieder an die Oberfläche: Viel Angst, viel Ohnmacht, viele Sorgen, viel Wut und Ärger gegenüber denen, die uns da angreifen oder angegriffen haben. Das führt bei den einen dazu, dass sie darüber sprechen können und bei den anderen alten Menschen dazu, dass es wieder hochkommt und sie darüber nicht sprechen können. Das ist fast wie bei einer Re-Traumatisierung.
DOMRADIO.DE: Gibt es auch Angst vor einem neuen Krieg?
Bromkamp: Es gibt eine Sorge, dass dieser Krieg sich ausbreitet. Angst davor, dass bei uns wieder Krieg ausbricht, nehme ich bisher weniger wahr. Man hat doch eher den Eindruck, dass wir, was das angeht, stabil sind und auch gut gesichert sind.
DOMRADIO.DE: Viele Pflegekräfte kommen aus Osteuropa. Wie schauen die in ihre Heimatländer?
Bromkamp: Viele, die aus osteuropäischen Gebieten kommen, zeigen jetzt Mitleid mit den Menschen in der Ukraine. Ich erlebe aber auch Pflegende, die aus Russland stammen und die diesen Krieg durchaus nicht ablehnen. Ich will nicht sagen, sie "befürworten" das, aber sie sagen: "Der Krieg ist berechtigt, weil der Westen uns provoziert, und da müssen wir als russische Nation darauf reagieren." Das ist für mich unverständlich. Aber auch diese Stimmen gibt es.
DOMRADIO.DE: Wie helfen Sie den Menschen in den Altenheimen, wenn sie mit den schrecklichen Bildern aus der Ukraine konfrontiert sind?
Bromkamp: Es geht darum, sie achtsam seelsorgerlich zu begleiten und sie einzuladen, von ihren Erfahrungen und Gedanken zu erzählen. Aber man darf sie nicht dazu aufzufordern. Manche können darüber nicht sprechen, auch wenn es sie zutiefst betrifft und beschäftigt. Einen Spruch von alten Menschen höre ich jetzt wieder häufig: "Vielleicht hilft Beten."
Das ist vielleicht ähnlich wie bei jüngeren Menschen, die an die Kraft einer Demonstration hier bei uns glauben und sagen: "Das löst etwas aus. Damit zeigen wir Solidarität." Für viele ältere, glaubende Menschen ist das Gebet für andere und das gemeinsame Gebet mit anderen ein wichtiges Zeichen der Solidarität. Das gibt auch ein Stückchen Hoffnung.
DOMRADIO.DE: Erreichen Sie damit dann auch die, die sich momentan eher zurückzieht?
Bromkamp: Vor allem denen, die in der Stille beten. Ihnen hilft das sicherlich, mit den eigenen Ängsten besser klarzukommen. Wenn ich meine Ängste anderen Menschen gegenüber nicht anvertrauen kann, weil ich irgendwie blockiert bin, dann gelingt es mir vielleicht, sie diesem Gott anzuvertrauen und ihm die Ängste zu schildern.