Was der Ukraine-Krieg mit Menschen in Altenheimen macht

Fast eine "Re-Traumatisierung"

Viele Bewohnerinnen und Bewohner von Altenheimen haben selbst einen Krieg erlebt. Längst vergessene Erinnerungen drohen nun wieder an die Oberfläche zu gelangen. Altenseelsorger Peter Bromkamp hilft, den neuen Krieg zu verarbeiten.

 © Kay Nietfeld (dpa)
© Kay Nietfeld ( dpa )

DOMRADIO.DE: Kommen auch bei Ihren Besuchen bei älteren Menschen jetzt häufiger Kriegserlebnisse zur Sprache?

Peter Bromkamp (Diözesanreferent für die Altenseelsorge im Erzbistum Köln): Vieles an schlechten und angstvollen Erinnerungen kommt wieder hoch. Gerade bei den Menschen, die über 80 Jahre alt sind und den Krieg häufig als Kind oder als junger Mensch noch erlebt haben. Vieles, was vergessen schien, kommt wieder an die Oberfläche: Viel Angst, viel Ohnmacht, viele Sorgen, viel Wut und Ärger gegenüber denen, die uns da angreifen oder angegriffen haben. Das führt bei den einen dazu, dass sie darüber sprechen können und bei den anderen alten Menschen dazu, dass es wieder hochkommt und sie darüber nicht sprechen können. Das ist fast wie bei einer Re-Traumatisierung.

Symbolbild Pflege / © Halfpoint (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Gibt es auch Angst vor einem neuen Krieg?

Bromkamp: Es gibt eine Sorge, dass dieser Krieg sich ausbreitet. Angst davor, dass bei uns wieder Krieg ausbricht, nehme ich bisher weniger wahr. Man hat doch eher den Eindruck, dass wir, was das angeht, stabil sind und auch gut gesichert sind.

DOMRADIO.DE: Viele Pflegekräfte kommen aus Osteuropa. Wie schauen die in ihre Heimatländer?

Bromkamp: Viele, die aus osteuropäischen Gebieten kommen, zeigen jetzt Mitleid mit den Menschen in der Ukraine. Ich erlebe aber auch Pflegende, die aus Russland stammen und die diesen Krieg durchaus nicht ablehnen. Ich will nicht sagen, sie "befürworten" das, aber sie sagen: "Der Krieg ist berechtigt, weil der Westen uns provoziert, und da müssen wir als russische Nation darauf reagieren." Das ist für mich unverständlich. Aber auch diese Stimmen gibt es.

Pflegerin an einem Transportwagen auf einer Station / © Corinne Simon (KNA)
Pflegerin an einem Transportwagen auf einer Station / © Corinne Simon ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie helfen Sie den Menschen in den Altenheimen, wenn sie mit den schrecklichen Bildern aus der Ukraine konfrontiert sind?

Bromkamp: Es geht darum, sie achtsam seelsorgerlich zu begleiten und sie einzuladen, von ihren Erfahrungen und Gedanken zu erzählen. Aber man darf sie nicht dazu aufzufordern. Manche können darüber nicht sprechen, auch wenn es sie zutiefst betrifft und beschäftigt. Einen Spruch von alten Menschen höre ich jetzt wieder häufig: "Vielleicht hilft Beten."

Peter Bromkamp sieht eine Ähnlichkeit von Gebet und Demonstrationen

"Auch wenn ich nicht mehr viel tun kann, kann ich noch für die Menschen beten, die vom Krieg betroffen sind."

Das ist vielleicht ähnlich wie bei jüngeren Menschen, die an die Kraft einer Demonstration hier bei uns glauben und sagen: "Das löst etwas aus. Damit zeigen wir Solidarität." Für viele ältere, glaubende Menschen ist das Gebet für andere und das gemeinsame Gebet mit anderen ein wichtiges Zeichen der Solidarität. Das gibt auch ein Stückchen Hoffnung.

DOMRADIO.DE: Erreichen Sie damit dann auch die, die sich momentan eher zurückzieht?

Bromkamp: Vor allem denen, die in der Stille beten. Ihnen hilft das sicherlich, mit den eigenen Ängsten besser klarzukommen. Wenn ich meine Ängste anderen Menschen gegenüber nicht anvertrauen kann, weil ich irgendwie blockiert bin, dann gelingt es mir vielleicht, sie diesem Gott anzuvertrauen und ihm die Ängste zu schildern.

Quelle:
DR
Mehr zum Thema