Berner Münster feiert 600-jähriges Bestehen

Dem Monument aufs Dach gestiegen

Das Berner Münster feiert pandemiebedingt ein Jahr verspätet seinen 600. Geburtstag. Was hinter der imposanten Kirche steckt, zeigt eine Führung. Münsterbaumeisterin Annette Loeffel steigt dem prägenden Bauwerk aufs Dach.

Autor/in:
Vera Rüttimann
Berner Münster / © schame (shutterstock)

Für viele Berner steht er wie kein anderes Gebäude ikonisch für die Stadt. Rund eine Million Menschen besuchen jährlich das Berner Münster, in dessen Kirchturm die größte Glocke der Schweiz hängt.

Ein Blick aufs Hauptportal verrät, dass die Kirche 2021 runden Geburtstag hatte: "In dem iar nach der geburt xpi (Christi) 1421 am 11. Tag maertze ward der erste stein gelegt an dieser kilchen." Doch die 600-Jahr-Feiern mussten wegen der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben werden.

Große Stellwände auf dem Münsterplatz verraten, dass der Grundstein einst von höchsten Vertretern der weltlichen und geistlichen Macht in Bern gelegt wurde. Notwendig wurde der Neubau, weil die sogenannte Leutkirche, die Vorgängerkirche des Berner Münsters, zu klein und zudem baufällig geworden war.

Gebaut als Symbolstatus

Der Baubeginn des Münsters war auch Ausdruck des stetig steigenden Einflusses des Stadtstaats Bern, der auch Bauherr war. 1415 eroberte Bern den habsburgischen Aargau. Das Münster, so die Vision der Erbauer, sollte größer werden als die Kathedralen in Lausanne und Freiburg (Fribourg).

Als erstes baute man den Chor des Münsters. "Bis das Berner Münster in der heutigen Form stand, dauerte es Jahrhunderte", sagt Münsterbaumeisterin Annette Loeffel. Sie führt an diesem Tag staunende Besuchergruppen hoch hinauf Richtung Turmspitze, die erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf Bestreben des neu gegründeten Münsterbauvereins im neugotischen Stil errichtet wurde. Für die Restaurierungsarbeiten sei seit 1993 die BernerMünster-Stiftung zuständig. "Wir schauen gut zu unserer Dame hier", sagt die Bernerin.

Sand, Zement, Kalk und Muschelmahlungen

Kapitelle, Türmchen und riesige Kirchenfenster - nicht alle seien schon saniert: "Hier sieht man aufgeblätterten Sandstein. Das Fenster ist von Umwelteinflüssen beschädigt." Früher habe man ein solches Fenster neu gebaut. Heute werde es vor Ort restauriert - genau wie die Steine: "Früher hat man einen Stein nach dem anderen ersetzt. Seit zwanzig Jahren versuchen wir, alle vorhandenen Steine an der Fassade zu konservieren und zu restaurieren", erklärt Loeffel. Leider gebe es heute nur noch wenige Originalsteine - etwa jene im Innern und an drei Fenstern des Chors.

Mit bloßem Auge sind verschiedene Farben am Münster erkennbar. "Der Bau hat im Laufe der Zeit unterschiedliche Anstriche erhalten", erklärt die Münsterbaumeisterin. So sei etwa der ockerfarbene Anstrich im 18. Jahrhundert draufgekommen. "Man hat immer versucht, das Münster ein wenig aufzuhübschen", sagt sie lachend. Der benutzte Mörtel bestehe aus verschiedenen Sandarten, Zement, Kalk und Muschelmahlungen.

Malerische Umgebung

Die Gruppe kommt auf der obersten Plattform des Baugerüstes an. "Ihr bekommt nun etwas zu sehen, das Ihr in keinem Kunstführer findet", sagt Loeffel. "Ihr werdet erfahren, wie man in einer Münsterbauhütte arbeitet." Es geht erst vorbei an den charakteristischen Türmchen und wuchtigen Querstreben auf dem Dach des Münsters. Gerade werden sie von der Abendsonne in ein gelbliches Licht getaucht. Ganz in der Ferne sind von hier oben die Berner Alpen zu sehen.

Weiter geht es jetzt durch eine große Tür. Beim Eintreten entfährt einigen ein lautes "Ah!" und "Oh!": Es ist das Gewölbe des Mittelschiffs. 120 Jahre nach der letzten Restaurierung wird es von der Münsterbauhütte umfassend konserviert und gereinigt. Noch bis 2024 dauern die Arbeiten an dem Gewölbe aus dem Jahr 1517. Zu diesem Zweck wurde eigens eine Holzdecke eingezogen, die als Arbeitsplattform dient.

Schmutz der Zeit

Auch für Restauratorin Johanna Meier. Mit trockenen Schwämmchen putzt sie den Schmutz der Zeit weg. Der hat unterschiedliche Ursachen, wie sie den Gästen erklärt. "Er stammt vom Ruß, der von unten aus dem Kirchenschiff hochstieg. Und natürlich auch von all den Leuten, die sich unten im Kirchenschiff im Laufe der letzten Jahrhunderte bewegten."

An der Decke des nachreformatorischen Mittelschiffgewölbes prangen große Wappen, die von Ratsherren und Repräsentanten einer immer selbstbewusster werdenden Staatsmacht in Auftrag gegeben wurden. Die Restaurierung sei hier besonders anspruchsvoll, sagt Loeffel. "Die Metallauflagen an den Wappen lösen sich langsam ab. Immerhin haben sie 450 Jahre gehalten."

Früher katholisch

Interessiert lauschen die Gäste der Führung. Margret Pulver interessiert das Thema Reformation: Ursprünglich sei das Münster ja eine katholische Kirche gewesen. Und das sehe man an vielen Orten noch immer erstaunlich gut. "Das abgebildete Jüngste Gericht am Portal des Münsters oder die vielen eindrücklichen Darstellungen von Heiligen im Chorgewölbe haben den Sturm der Reformation standgehalten", meint die Bernerin.

Eine Menschentraube steht nun auch um Peter Völkle, den Betriebsleiter der Münsterbauhütte. Seit 2006 kümmert sich der Steinmetz und Steinbildhauermeister um den Erhalt des Berner Münsters. An Führungen wie heute und auch am europäischen Tagen des Denkmals im September ist Völkle ein gefragter Mann.

Er parliert dann über das Bauen von Steingewölben und die Pflege von Sandsteinen und Malereien. Jeden Tag, sagt er den Gästen, freue er sich auf das Gewölbe mit seinen kostbaren Glasfenstern. Dieser Tag mit seinen Führungen hinauf zum Münstergewölbe bezeichnet Völkle als "nichts Besonderes". Der passionierte Steinmetz sagt: "Für mich ist hier im Münster jeder Tag wie ein Jubiläum."

Quelle:
KNA