Die Türkei hat für April ein neues Gesetz zur Regelung des Immobilienbesitzes der christlichen Kirchen angekündet. In dessen Vorfeld trafen sich am 17. März der Ökumenische Patriarch der Griechisch-Orthodoxen, Bartholomaios I., sein armenisch-apostolischer Amtsbruder, Patriarch Sahak II. Maschalian, der syrianisch-orthodoxe Metropolit Philoxenos Cetin und der Apostolische Vikar von Istanbul, Bischof Massimiliano Paliduro, zu einer mehrstündigen Beratung. Ort ihrer Begegnung war das armenische Patriarchat von Konstantinopel im Stadtteil Kumkapi, Anlass des Treffens der Geburtstag von Armenier-Patriarch Sahak II. Maschalian.
Probleme der Christen in der Türkei
Wie Bartholomaios anschließend mitteilte, galt die Aussprache gemeinsamen Problemen der Christen in der Türkei. Beobachter bringen die Sitzung mit dem neuen Gesetz über kirchlichen Immobilienbesitz in Zusammenhang. Diesbezüglich gilt auch in der modernen Türkei weiter das alte islamische Stiftungsrecht. Es handelt sich ursprünglich um den Besitz von Moscheen und anderer Heiligtümer, dessen Grundsätze in der «osmanischen» Türkei auch auf christliche Immobilien wie Kirchen, Klöster, Schulen und Krankenhäuser angewandt wurden. Ankara erkennt bisher aber nur den Griechisch- und Armenisch-Orthodoxen solche Institutionen zu, die "Vakuf" genannt werden.
Verzicht auf eine Stiftung
Die orthodoxen Syrer hatten im Frieden von Lausanne 1923, der die Rechte der nichtmuslimischen Minderheiten in der neuen "Türkischen Republik" festschrieb, auf eigene Stiftungen verzichtet. Ihr Patriarch Ignatius Elias III. (1917-1932), der selbst der Delegation aus Ankara angehörte, war der Meinung, dass es in dem modernen, europäisierten Staat, den Kemal Atatürk aufbaute, keine derartigen Sonderrechte mehr brauche. Er hatte diese Rechnung aber ohne die national-islamistische Komponente des Kemalismus gemacht. Diesen Irrtum hatte er bald nach seiner Rückkehr in die Türkei zu bereuen, als dort die Unterdrückung der Syrianer einsetzte. Schon 1924 musste der Patriarch seinen Sitz aus dem Kloster Deir as-Safaran beim türkischen Mardin nach Homs in Syrien verlegen, das damals unter französischer Verwaltung stand.
Rechtsunsicherheit für Syrianer
Die Rechtsunsicherheit für die Syrianer machte sich noch 2008 bemerkbar, als dem uralten Kloster Mor Gabriel seine muslimischen Nachbarn Grund und Boden wegzunehmen versuchten. Nur massive Proteste aus der ganzen Christenheit verhinderten die gerichtliche Enteignung des Klosters.
Noch kein juristischer Status für römisch-katholische Kirche
Die römisch-katholische Kirche verfügt noch über gar keinen juristischen Status; im Unterschied zu den mit Rom "unierten" orientalischen Christen wie ein Teil der Armenier, Syrianer, Chaldäer und Griechen, die weiter wie unter dem Sultan als eine Art "Religionsvölker" (millet) behandelt werden. In der osmanischen Türkei hatten einzelne katholische Gemeinden, wie jene von Istanbuls Hafen Galata (heute Beyoglu), besondere Statuten. Später übernahmen europäische Mächte den Schutz bestimmter katholischer Gemeinschaften, vor allem Frankreich und Österreich-Ungarn.
Protektion zeitweise an andere Staaten übertragen
In bestimmten Fällen wurde die Protektion auch zeitweise an andere Staaten übertragen: So 1874 an das Deutsche Reich, nach der Ermordung eines preußischen Pfarrers in Istanbul, bis zur Aufklärung des Falles und Bestrafung des Täters. Darüber waren mit dem Sultan eigene Verträge (Kapitulationen) geschlossen, die aber 1914 allesamt annulliert wurden.
Seitdem wird in der Praxis auf den Besitz- und Personalstand römisch-katholischer Gemeinden und Einrichtungen vor dem Ersten Weltkrieg zurückgegriffen. Das geht so weit, dass etwa die österreichisch-deutschen Lazaristen an ihrem Georgs-Kolleg in Galata die Genehmigung aus Ankara einholen müssen, wenn sie ein Fenster auswechseln wollen. Ebenso dürfen Geistliche, Schwestern und andere Kirchenangestellte die jeweilige Zahl von vor 1914 nicht überschreiten. So müssen zusätzliche Pfarrer als Botschaftskapläne oder -bibliothekare deklariert werden, um ihre Aufenthaltsgenehmigung in der Türkei zu erwirken.
Neues Gesetz
Besonders tragisch war das in den Fällen der Priester- und Bischofsmorde von 2006 und 2010, als die Nachfolge der in Trabzon und Iskenderun Getöteten bürokratisch verzögert wurde. Auch die Bestrafung der Schuldigen verlief ziemlich im Sand.
In dem neuen Gesetz sollen endlich auch die "Lateiner", also die Römisch-Katholischen berücksichtigt werden. Dafür wird es wirklich höchste Zeit. Es ist ein Grundsatz der Religionspolitik von Präsident Recep Tayyip Erdogan, auf die osmanischen Regelungen zurückzugreifen. So dürften die alten "Kapitulationen" in neuer Form und unter anderem Namen wiedererstehen.