Ausstellung über Essensrituale in Ulm eröffnet

"Essen als Bekenntnis"

Essen ist mehr als nur Nahrungsaufnahme. Essensrituale und -vorschriften können ganz bewusste religiöse, politische oder weltanschauliche Bekenntnisse sein. Das zeigt nun eine Ausstellung im Ulmer Museum "Brot und Kunst".

Kopie des letzten Abendmahls von Egidius Mengelberg aus dem Jahr 1834 / © Museum Brot und Kunst
Kopie des letzten Abendmahls von Egidius Mengelberg aus dem Jahr 1834 / © Museum Brot und Kunst

DOMRADIO.DE: Im Mittelpunkt ihrer Ausstellung "Essen als Bekenntnis" steht das letzte Abendmahl, insbesonders das berühmte Abendmahlsmotiv nach Leonardo da Vinci, das Jesus und seine Jünger am Tisch versammelt zeigt. Warum?

Dr. Isabel Greschat (Direktorin des Ulmer Museums "Brot und Kunst"): Ich glaube, das Abendmahl als bekenntnishaftes, ritualisierte Essen ist das Essensbekenntnis, das man am ehesten im Kopf hat, wenn man zumindest in unserem Kulturkreis an dieses Thema denkt. Leonardo da Vincis Bild ist das wohl berühmteste Bild, am meisten kopiert, variiert und bis in der Popkultur angekommen. Diese Darstellung hat sich in unser visuelles, kulturelles Gedächtnis so sehr eingeschrieben, dass es jedem bekannt ist.

Die Darstellung ist in jedem Detail sehr sprechend: die Gruppenkonstellation der Jünger, die Jesus als zentrale Figur zeigt; die Bewegung der Hände, die ein lebhaftes Gespräch darstellen und gleichzeitig auf Jesus verweisen, der vor einem geöffneten Fenster - vor dem Licht - dargestellt ist. Nichts an diesem Bild ist zufällig. Wir konnten vor einiger Zeit eine Kopie aus dem 19. Jahrhundert von Egidius Mengelberg erwerben, der diese Darstellung relativ getreu wiedergegeben hat. Das ist ein schöner Aufhänger in der Ausstellung.

Dr. Dr. Isabel Greschat (Direktorin des Museums "Brot und Kunst")

"Wir wollen bewusst machen, dass es sehr vielfältige Essensbekenntnisse geben kann, die verschieden motiviert sein können."

DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielen Rituale rund ums Essen und Trinken in anderen Religionen? Wie zeigen Sie das in Ihrer Ausstellung?

Greschat: Wir schauen uns zu dem Thema das Judentum und den Islam genauer an. Im Judentum gibt es beispielsweise sehr detaillierte Speisevorschriften. Man darf zum Beispiel Blutiges und Fleischiges nicht miteinander in Berührung bringen. Deshalb gibt es in jedem strenggläubigen jüdischen Haushalt zwei Geschirre, zwei Bestecke und so weiter.

Der zentrale Begriff im Judentum ist sicherlich "koscher". Das bezeichnet Lebensmittel, die erlaubt sind. Es gibt einige Lebensmittel, die nicht koscher sind, also verboten sind. Das bezieht sich vor allem auf Fleisch. Koscheres Fleisch stammt nur von bestimmten Tieren. Schwein zum Beispiel ist ausgeschlossen, aber auch Wild, Insekten, Meeresfrüchte darf man nicht essen.

Und das Fleisch, das man essen darf, muss entsprechend geschlachtet werden, sodass es geschächtet ist, dass das Tier ausgeblutet ist und kein Blut mehr in sich trägt.

DOMRADIO.DE: Sie beschränken sich aber nicht nur auf religiös motivierte Esskultur. Welche säkularen Bekenntnisse nehmen Sie in den Blick?

Greschat: Wir gucken uns das Thema Vegetarismus sehr genau an, das an der Wende zum 20. Jahrhundert einen Ursprung in unserer Kultur hat. In der Lebensreformbewegung spielte Vegetarismus eine ganz große Rolle und wurde auch quasi religiös überformt. Da gab es mit Gustav Nagel oder Karl Diefenbach quasi Propheten, die sich auch entsprechend in Szene gesetzt haben.

Heute ist der Vegetarismus oder Veganismus wieder auf dem Vormarsch, aber aus anderen Gründen - eher politisch, ethisch oder weltanschaulich begründet. Aber auch, weil wir wissen, dass der maßlose Fleischkonsum klimatechnisch so nicht geht und wir uns beschränken müssen.

Was ist vegan?

Die vegane Lebensweise, auch Veganismus genannt, ist eine besondere Form des Vegetarismus, bei der keinerlei tierische Produkte konsumiert werden. Vegan lebende Menschen verzichten daher in ihrer Ernährung nicht nur auf Fleisch und Fisch, sondern auch auf alle anderen tierischen Produkte, wie Milch, Eier oder Honig.

Vegan zu leben, bedeutet aber noch mehr als nur vegan zu essen. Vegan schließt zusätzlich ein, keine Kleidungsstücke zu tragen, die tierischen Ursprungs sind. Dies bedeutet den Verzicht auf Substanzen, wie Leder, Seide oder Wolle.

Symbolbild Marktstand mit Gemüse (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Wie präsentieren Sie dieses Bekenntnis um Veganismus und Vegetarismus in Ihrer Ausstellung?

Greschat: Es gibt zum einen historische Dokumente, etwa Postkarten von Gustav Nagel, worauf er wie ein Jesus inszeniert ist. Wir haben einige Bücher mit Titeln wie "Tierschlachtung und Krieg", wo dieser Zusammenhang klar aufgemacht wird. Wer Tiere isst, schlachtet auch Menschen.

A cookbook from which you cannot cook / © Museum für Brot und Kunst / nextnature
A cookbook from which you cannot cook / © Museum für Brot und Kunst / nextnature

Aber dann haben wir auch eine schöne Installation von "Next Nature Network", einem künstlerisch-wissenschaftlichen Kollektiv, das Objekte hergestellt hat, die sehr schön anzusehen sind - etwa verschiedene Variationen von Fleisch aus dem Labor, künstlerisch inszeniert.

Dazu gibt es ein Kochbuch, das "Cookbook from which you can not cook" heißt. Es ist ein Signal, eine Idee, eine künstlerische Inszenierung. Aber natürlich soll das schon auf den Gedanken bringen: Wie könnte das in Zukunft mit einer vegetarischen Lebensweise aussehen? Wie kann das umgesetzt werden?

DOMRADIO.DE: Welche Fragen wollen Sie mit der Ausstellung sonst noch anstoßen? 

Greschat: Wir wollen bewusst machen, dass es sehr vielfältige Essensbekenntnisse geben kann, die verschieden motiviert sein können. Zum einen geht es darum, zu informieren, dass das im Islam, im Judentum, aber natürlich auch im Christentum ein Thema ist. Wie gehen wir um mit Essen? Was bekennen wir damit?

Aber es geht auch um die Frage an jeden Besucher, jede Besucherin: Wie sieht es denn bei mir aus? Was esse ich aus welchen Gründen? Und gibt es dabei nicht auch einen Bekenntnischarakter?

Das Interview führte Hilde Regeniter

Quelle:
DR