Friedensforscher rät von Boykott russischen Gases ab

Diplomatisch-politische Reaktion

Der Friedensforscher Matthias Dembinski rät von einem Boykott russischen Gases als Reaktion Deutschlands auf die Enthüllung von Kriegsverbrechen in der Ukraine ab. Möglicherweise treffe es Deutschland stärker als Russland.

Autor/in:
Jens Bayer-Gimm
Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen von Nord Stream 1 / © Stefan Sauer (dpa)
Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen von Nord Stream 1 / © Stefan Sauer ( dpa )

Der Friedensforscher Matthias Dembinski rät von einem Boykott russischen Gases als Reaktion Deutschlands auf die Enthüllung von Kriegsverbrechen in der Ukraine ab. Ein Gasembargo treffe möglicherweise Deutschland stärker als Russland, sagte der Projektleiter der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) in Frankfurt am Main dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sanktionen müssten so aufgebaut sein, dass die öffentliche und politische Unterstützung auf deutscher Seite nicht übermäßig leide und die Zustimmung zu einem harten Kurs gegenüber Russland nicht erodiere.

Stopp der Gaslieferungen

Leisten könne sich Deutschland hingegen einen Boykott von Öl- und Kohlelieferungen aus Russland. Allerdings sollte sich das Land auf einen Stopp der Gaslieferungen aus Russland vorbereiten und etwa über eine Laufzeitverlängerung der verbliebenen Kernkraftwerke nachdenken.

Gaspipeline Nord Stream 2

Der Politikwissenschaftler stimmte der Kritik am Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland zu. Die Pipeline hätte nicht die Menge des aus Russland eingeführten Gases erhöht. Vielmehr hätte sie ukrainische Pipelines für deutsches Gas überflüssig gemacht und die Erpressbarkeit der Ukraine erhöht.

Dagegen könne der Bezug von Energie aus Russland grundsätzlich nicht als Fehler bezeichnet werden, sagte Dembinski. Deutschland habe 40 Jahre lang problemlos Energie von dort bezogen. Wenn man mit einem autoritären Regime keinen Handel treiben wolle, müsse man auch den Handel mit China abbrechen, was niemand wolle.

Diplomatisch-politische Reaktion auf Kriegsverbrechen

Die Reaktion auf Kriegsverbrechen müsse in erster Linie eine diplomatisch-politische sein, betonte Dembinski. Noch sei ungeklärt, ob die Zivilisten von einzelnen russischen Einheiten oder auf zentralen Befehl hin ermordet wurden. Die Welt müsse mit möglichst objektiven Befunden durch neutrale Instanzen über das Geschehen aufgeklärt werden. So könnten Verbündete Russlands in Asien und Afrika möglicherweise ihre Haltung überdenken.

Wichtig sei daher, dass der UN-Menschenrechtsrat am vergangenen Montag die Einrichtung einer unabhängigen Untersuchungskommission beschlossen habe und dass der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Ermittlungen aufnehme.

Ukrainischer Widerstand werde angefacht

Ein Motiv Russlands für die großflächigen Angriffe auf Städte und zivile Infrastrukturen könne sein, den Preis für die Ukraine an Menschenleben so hoch zu treiben, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj einknicke. Bisher erreiche Russland aber das Gegenteil. Der ukrainische Widerstand werde angefacht, weil die Ukrainer sähen, was passieren kann, wenn sie verlieren.

Scholz stellt neue Sanktionen gegen Russland in Aussicht

Bundeskanzler Olaf Scholz hat nach den Gräueltaten russicher Truppen im ukrainischen Butscha neue Sanktionen gegen Russland in Aussicht gestellt. "Wir werden im Kreis der Verbündeten in den nächsten Tagen weitere Maßnahmen beschließen", kündigte der SPD-Politiker an, ohne weitere Details zu nennen. Der russische Präsident Wladimir Putin und seine Unterstützer würden die Folgen spüren. "Und wir werden der Ukraine weiterhin Waffen zur Verfügung stellen, damit sie sich gegen die russische Invasion verteidigen kann."

Die durch die Bombardierung zerstörte Brücke auf der Autobahn nahe Butscha. / © Mykhaylo Palinchak/SOPA Images via ZUMA Press Wire (dpa)
Die durch die Bombardierung zerstörte Brücke auf der Autobahn nahe Butscha. / © Mykhaylo Palinchak/SOPA Images via ZUMA Press Wire ( dpa )
Quelle:
epd