Nach dem ukrainischen Botschafter beim Vatikan kritisierte auch Schewtschuk, die Entscheidung, dass eine ukrainische und eine russische Familie dort gemeinsam das Kreuz tragen und einen Text vortragen sollen.
"Ich halte diese Idee für nicht ratsam und zweideutig, da sie den Kontext der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine nicht berücksichtigt", heißt es in einer Erklärung Schewtschuks vom Dienstag, die sein Sekretariat in Rom verbreitete. Für viele katholische Ukrainer seien die geplanten "Texte und Gesten der XIII. Station des Kreuzweges unverständlich und sogar beleidigend". Dies gelte vor allem angesichts des erwarteten zweiten, noch blutigeren Angriffs russischer Truppen auf Städte und Dörfer.
Bitte um "Überprüfung des Projekts"
"Gesten der Versöhnung zwischen unseren Völkern", so Schewtschuk, seien erst dann wieder möglich, "wenn der Krieg beendet ist und die Verantwortlichen für Verbrechen gegen die Menschlichkeit" verurteilt seien. Er habe daher die zuständigen Stellen in Rom um eine "Überprüfung dieses Projekts" gebeten.
Bereits am Nachmittag hatte sich Kiews Botschafter beim Heiligen Stuhl, Andrij Jurash, über Twitter kritisch geäußert. Die Botschaft "versteht und teilt die allgemeinen Bedenken in der Ukraine und in vielen anderen Gemeinden" zu dieser Aktion, schrieb Jurash. Man sei mit dem Thema befasst und versuche, "die Schwierigkeiten bei der Umsetzung und die möglichen Folgen zu erklären".
Unverhältnismäßige Gleichstellung?
Die Texte zum traditionellen Kreuzweg am Karfreitag vor dem Kolosseum haben in diesem Jahr mehrere Familien verfasst. Der Text zur 13. Kreuzweg-Station zum Tod Jesu am Kreuz wird von je einer russischen und einer ukrainischen Familie vorgetragen. In dem Text heißt es unter anderem: "Warum hast du uns im Stich gelassen? Warum hast du unsere Völker im Stich gelassen?" Während des entsprechenden Abschnitts sollen sie auch gemeinsam ein Kreuz tragen.
Bereits die Tatsache, dass der Papst am 25. März in einer Bußandacht beide Völker, Ukrainer und Russen, der besonderen Sorge der Gottesmutter empfahl, sorgte für Kritik. Insbesondere Ukrainer sehen darin eine unverhältnismäßige Gleichstellung oder Nivellierung von Unrecht. Gleichzeitig hatte Jurash, der seit Anfang März in Rom ist, sowohl am Friedensgottesdienst mit Kardinal Pietro Parolin wie an der Andacht des Papstes zusammen mit Moskaus Vatikan-Botschafter teilgenommen. Allerdings begegneten die beiden sich nicht.