Theologe sieht viel Spiritualität bei Udo Lindenberg

"Er nimmt sich vom Glauben das, was er für wahr hält"

Religiöse Bezüge und abgewandelte Bibel-Zitate findet man in den Werken Udo Lindenbergs immer wieder. Aber wie religiös ist er wirklich? Uwe Birnstein hat sich auf die Suche nach der Spiritualität im Leben des Musikers gemacht.

Udo Lindenberg bei einem Konzert in einer Kirche / © Patrick Pleul (dpa)
Udo Lindenberg bei einem Konzert in einer Kirche / © Patrick Pleul ( dpa )

DOMRADIO.DE: Ist Udo Lindenberg ein religiöser Mensch, ein religiöser Künstler?

Uwe Birnstein (Theologe und Lindenberg-Experte): Da ist die Frage, was man unter religiös versteht. Er ist getauft, aber kein Kirchenmitglied mehr, aber er hat eine eigene spirituelle Seite. Die letzten Fragen: Was geschieht nach dem Tod? Gibt es eine höhere Macht, die irgendwie einen Plan hat mit dieser Welt oder mal einen Plan hatte? Und was ist der Sinn des Lebens? Die kann er immer wieder auf sehr, sehr originelle, manchmal humorvolle, manchmal auf tiefsinnige Art und Weise wie seine Lieder einbauen. Deswegen würde ich sagen, Udo Lindenberg ist ein sehr spiritueller Mensch.

DOMRADIO.DE: Mit neun Jahren ist er evangelisch getauft worden, dann konfirmiert, später ausgetreten. Wie protestantisch ist Udo Lindenberg dennoch geblieben?

Birnstein: Ich bin auf die Spur gekommen in einem ersten Interview, das ich mit ihm schon Mitte der 80er Jahre geführt habe. Da saßen wir in einem verrauchten Kellerstudio und da sagte er mir, ich habe damals Theologie studiert: Also weißt du, der Spruch von Martin Luther "Wenn morgen die Welt unterginge, dann würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen", das ist auch so was wie mein Lebensmotto. Und da dachte ich: Das ist ein Bruder im Geiste von Martin Luther. Luther liegt so viel daran, dass die Menschen in verständlicher Sprache verstehen, was das mit dem Glauben auf sich hat. Udo Lindenbergs Spruch "Keine Panik" ist vielleicht auch eine moderne Lindenberg-Übersetzung des Engelsgrußes aus der Bibel: "Fürchtet euch nicht".

Uwe Birnstein

"Das ist ein Bruder im Geiste von Martin Luther"

DOMRADIO.DE: Udo Lindenberg hat als selbsterklärte Rampensau Provokation nie gescheut, immer Klartext gesungen. Sie sagen, er hat, wenn es um Religion und um religiöse Gefühle geht, immer Respekt gewahrt. Woran machen Sie das fest?

Birnstein: Er hat schon manchmal eine ulkige Seite, die die Grenze manchmal bis ins verletzliche überschreitet. Aber zum Beispiel, nachdem er einen Song über Nonnen geschrieben hat, haben ihm Franziskanerin geschrieben und gesagt: Lieber Udo Lindenberg, so leicht lassen wir uns auch nicht vereinnahmen und als Klischee verniedlichen. Komm mal zu uns. Und er ist da hingefahren und hat danach tatsächlich den Songtext an einer Stelle geändert. Das zeigt schon, er ist auch auf diesem Gebiet durchaus lernfähig.

Uwe Birnstein

"Er ist auf diesem Gebiet durchaus lernfähig"

DOMRADIO.DE: Seine Songs haben Tiefgang, die drehen sich um die großen Themen im Leben: Liebe, Sinnsuche, Tod. Und speziell was den Tod angeht, da schimmert immer wieder ein Glaube daran durch, dass es ein Leben danach gibt. Wie bringt Lindenberg das zum Ausdruck?

Birnstein: Einer seiner neuen Songs heißt: Wenn du gehst. Und ein Pfarrer erzählte mir neulich, dieser Song wird immer häufiger bei Trauerfeiern auch von den Trauernden gewünscht. Das ist quasi ein Lied an einem Sterbebett. Lindenberg spricht mit einer Person, die sterben wird und findet dann sehr, sehr schöne poetische Worte. Und darin heißt es: Wenn du gehst, kracht der Himmel ein und ein anderer nimmt dich an die Hand. Dass jemand in der Popszene so offen über das, was nach dem Tod geschehen könnte, spricht oder singt, das ist schon besonders, finde ich.

DOMRADIO.DE: Lindenberg hat immer wieder auch eng mit Kirchenleuten zusammengearbeitet, zum Beispiel mit dem Bonifatiuswerk der Deutschen Katholiken oder auch mit dem Kiezpfarrer der Hamburger Reeperbahn. Was zeigt das wiederum?

Birnstein: Das zeigt, dass Udo Lindenberg vor Gott seinen Hut zieht, aber nicht vor der Kirche. In jedem Fall, wo die Kirche der Freiheit des Glaubens entgegensteht, da wird Lindenberg immer sagen: So bitte nicht, so geht das nicht. Aber überall, wo er Verbündete für eine friedlichere Welt findet, unter anderem in einigen katholischen, aber auch evangelischen Institutionen, da ist er zu jeder Kooperation bereit. Das finde ich sehr, sehr groß von ihm. Und das Bonifatiuswerk veranstaltet unter anderem Ausstellungen. Udo Lindenberg ist nicht nur Sänger, er hat Bilder zu den Zehn Geboten gemalt. Und die Ausstellung, die hat das Bonifatiuswerk auch auf dem letzten Katholikentag in Münster gezeigt.

Uwe Birnstein

"Das zeigt, dass Udo Lindenberg vor Gott seinen Hut zieht, aber nicht vor der Kirche"

DOMRADIO.DE: Was glauben Sie, meint Udo Lindenberg , wenn er sich selbst einen frei Glaubenden nennt?

Birnstein: Das ist – glaube ich – sehr, sehr protestantisch. Alles prüfen, ob es auch so stimmt. Er ist Freidenker und frei Glaubender, er nimmt sich vom Glauben das, was er für richtig, für wahr hält. Und das ist sehr viel mehr als viele, viele andere Menschen.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Quelle:
DR