Ziel ist die Digitalisierung von 98 Kisten privater und beruflicher Korrespondenz des Bischofs sowie die weitere Erforschung der Dokumente. In drei bis vier Monaten sollen rund 100.000 Scans in Washington und Rom zugänglich sein. Hudal war von 1937 bis 1952 Rektor des deutschsprachigen Priesterkollegs.
Unter den Dokumenten finden sich nach ersten Erkenntnissen auch Schriftstücke, die ein komplexeres Licht auf den als "braunen Bischof" bezeichneten Hudal werfen; darunter Dankesschreiben jüdischer Personen, denen er offenbar half, sowie Gästebucheinträge, wonach Juden und Antifaschisten im Priesterkolleg versteckt wurden. Sie sei sehr überrascht gewesen über diese Fundstücke, sagte die US-Historikerin Suzanne Brown-Fleming. Aber es sei zu früh für Schlussfolgerungen. Vielmehr brauche es eine gründliche Erforschung "Seite für Seite", so die Forscherin.
"Weltweite Vernetzung"
"Dieses Archiv ist die Erinnerung unseres Hauses", sagte Anima-Rektor Michael Max. Auch wenn das Erinnern bei dunklen Seiten manchmal schwer falle. Mit der Kooperation könne das Archiv der Anima nun mit Archiven weltweit vernetzt werden. "Ein Archiv ist ein Gedächtnis, viele Archive werden zu einem Gewissen", so Max. Er hoffe, dass durch die historische Aufarbeitung das Gewissen reiner und die Zukunftshandlungen besser würden.
Hudal half Nazis nach Kriegsende bei der Flucht aus Europa. Eine geistige Nähe zum Nationalsozialismus wird ihm ebenfalls zugeschrieben. Mit anderen organisierte er die sogenannte Rattenlinie, auf der zahlreiche NS-Angehörige und Kriegsverbrecher über Italien nach Südamerika entkommen konnten. Hudal begründete dies als karitativen Akt für politisch Verfolgte. Unter anderen half er dem österreichischen SS-Führer Otto Wächter. Dieser versteckte sich mehrere Monate in Rom.
Zum Rücktritt gedrängt
Wegen seines Engagements für Kriegsverbrecher soll der Österreicher 1952 vom Vatikan gedrängt worden sein, als Rektor des Priesterkollegs zurückzutreten. Hudal war mit Eugenio Pacelli bekannt, dem späteren Papst Pius XII. (1939-1958), der ihn 1933 zum Bischof weihte. Mitarbeiter des Holocaust Memorial Museum in Washington sind seit März 2020 auch mit Recherchen in den Vatikanarchiven zum Pontifikat Pius XII. beschäftigt.