DOMRADIO.DE: Päpste sind auch nur Menschen und werden auch mal krank. Welche Geschichten fallen Ihnen dazu ein?
Ulrich Nersinger (Journalist und Vatikan-Experte): Es gibt einige dramatische Geschichten, weil die Krankheit oder das Sterben eines Papstes auch immer Auswirkungen auf die Kirche, manchmal auch auf die Welt hat.
Ich entsinne mich an einen Fall, der schon drei Jahrhunderte zurückliegt. In Rom war damals eines der weltlichen Hochfeste der Karneval. Und genau in dieser Zeit drohte einer der Päpste zu sterben. Da war die wichtigste Überlegung im Kardinalskollegium, ob man einen möglichen Tod des Papstes bekannt gibt. Man hatte nämlich Angst, dass die Bevölkerung dann nicht mehr weiter Karneval feiern durfte.
Eine ganz bezeichnende Episode haben wir am Anfang des vergangenen Jahrhunderts vernommen. Der Papst war schwer erkrankt, er lag im Sterben. In den päpstlichen Vorzimmern war schon das diplomatische Korps versammelt - auch die Kardinäle, der päpstliche Hof.
Der Osservatore Romano (Vatikanzeitung, Anm. d. Red.) hatte zeitgleich eine Ausgabe vorbereitet. Da stand: "Der Heilige Vater leidet an einer leichten Erkältung". Die Tinte der Zeitung war noch nicht trocken, da läuteten schon die Totenglocke. Man sieht also: Eine schwere Erkrankung oder ein drohender Tod des Papstes hat wirklich auch Auswirkungen.
DOMRADIO.DE: Gab es denn schon mal einen Papst, der zu krank war, um sein Amt auszufüllen?
Nersinger: Ja, wir haben natürlich eine Reihe von Päpsten, die ein hohes Alter erreicht haben, denken wir an Leo XIII. Da gab es die Problematik, dass man sich überlegte, wie weit der Papst noch sein Amt ausüben kann.
Man hat immer gesagt, solange der Papst geistig dabei ist, ist das kein Problem. Die körperlichen Beschwerden kann man immer noch auffangen. Für die Leitung der Kirche sind sie nicht so ausschlaggebend. Aber es wird dann kritisch, wenn auch der geistige Zustand des Papstes betroffen ist.
DOMRADIO.DE: Was passiert denn, wenn ein Papst so krank ist, dass er nicht mehr in der Lage ist, das Amt auszuführen?
Nersinger: Solange es nur um körperliche Probleme geht, kann man immer noch in allen möglichen Formen variieren. Das erleben wir auch im Moment. Der Papst braucht dann zum Beispiel eine gewichtige Messe nicht selbst zu zelebrieren. Er steht ihr nur vor, indem er dabei sitzt. Solche Möglichkeiten gibt es.
Dann kann er auch gewisse Funktionen und gewisse Sachen delegieren. Das ist kein Problem. Problematisch wird es, wie schon gesagt, wenn der geistige Zustand betroffen ist. Dann muss sich natürlich auch das Kardinalskollegium überlegen, wie zu handeln ist.
DOMRADIO.DE: Wie ist dann zu handeln? Man kann ihn ja nicht des Amtes entbinden, oder?
Nersinger: Das würde sehr schwierig sein. Da sind sich auch die Kirchenrechtler uneins. Aber man wird im Notfall überlegen müssen, ob man nicht einfach die Unzurechnungsfähigkeit des Papstes feststellt.
DOMRADIO.DE: Aber diesen Fall gab es bislang in der Geschichte der Päpste noch nicht.
Nersinger: Den gab es nicht. Es gab natürlich Fälle, wo die Päpste schon in ihrem geistigen Vermögen eingeschränkt waren. Man hat sich aber immer bemüht, das zu kaschieren.
DOMRADIO.DE: Besonders in Erinnerung sind uns die letzten Jahre von Papst Johannes Paul II.. Er litt unter Parkinson. Wie ging der Vatikan damals mit dieser Krankheit um?
Nersinger: Eigentlich sehr offen. Das ist eine im Grunde eine sehr schöne Sache. Man zeigte, der Papst ist nur ein Mensch und die Kirche nimmt auch den kranken Menschen sehr ernst.
Vom Papst war es natürlich ein Zeichen: Ich opfere auch meine Krankheiten, meine Schwierigkeiten auf. Wir haben ja gesehen, wie sehr das die Leute beeindruckt hat.
Das Interview führte Tobias Fricke.